Heidenmauer
vermuten, dass Günther Bamm wenige Tage vor seinem Tod dort im Stadel war – konkret: Wir gehen davon aus, dass er es war, der das Tor aufgebrochen hat.«
»Prima. Dann haben Sie einen geklärten Einbruch, und der Täter hat sich durch Tod der Strafverfolgung entzogen, so heißt es doch im Juristendeutsch, nicht wahr. Wir geben uns die Hand, sagen einander Adieu und beginnen, mit unseren Familien das Wochenende zu genießen.«
Schielin sprach ruhig weiter: »Wir gehen weiter davon aus, dass Günther Bamm die Machenschaften Ihres Mandanten hinsichtlich seiner Tätigkeit als Betreuer öffentlich machen wollte. Das geht aus seinen Unterlagen hervor. Bamm war ein renommierter Journalist und Reporter und verfügte über die Möglichkeiten, das für Ihren Mandanten sehr gefährliche Vorhaben umzusetzen. Wir sehen darin das Motiv ihres Mandanten, dessen einzige Einkünfte aus seiner Tätigkeit als Betreuer bestehen. Er hätte durch einen solchen Eklat seine Existenzgrundlage verlieren können.«
Der Anwalt stutzte einen Augenblick. »Das mit den Machenschaften wollen wir uns, sobald Ihre Ermittlungsergebnisse hierzu vorliegen, nochmals im Detail ansehen, und dann werden wir ja sehen, was übrig bleibt von Ihren haltlosen Vorwürfen. Zudem – gibt es denn Spuren am Tatort, die meinem Mandanten zugeordnet werden können? Ich gehe mal davon aus, dass es keine gibt. Zudem hat Herr Rubacher ein Alibi, von dem sie wissen.«
Lydia Naber sagte nüchtern: »Ihr Mandant hat uns bei der ersten Befragung über sein Alibi belogen. Er hat behauptet, mit seinem Sohn zu Hause gewesen zu sein.«
»Was der Sohn bestätigt hat«, entgegnete der Anwalt umgehend und winkte mit dem Zeigefinger.
Lydia Naber senkte das Kinn und sah von unten her zu Rubacher. Auf den Anwalt ging sie gar nicht ein. »Genau das wird Ihr Sohn nicht mehr tun, wenn wir ihn hier bei uns haben und nochmals befragen. Er war am Sonntagabend mit seinem Verein auf den deutschen Judomeisterschaften und ist erst am Montag gegen vier Uhr früh nach Hause gekommen.«
Der Anwalt sah zu Rubacher und fuhr mit den Zähnen seines Oberkiefers über die Unterlippe. Eine selbstvergessene, hässliche Geste, und Lydia war sich nicht klar, ob sie seinem Mandanten oder der Situation insgesamt galt.
Schielin war von dieser Information ebenso überrascht wie der Anwalt. Das war es also, was Jasmin Gangbacher herausgefunden hatte.
Lydia Naber sagte: »Wir haben Herrn Rubacher im Rahmen unserer Ermittlungen zum Mord an Günther Bamm befragt, und er hat uns eiskalt über sein Alibi belogen, aus unserer Sicht gibt es Gründe für ein Motiv, wie wir schon dargelegt haben – Ihr Mandant hat sich mit dem Mordopfer in der Öffentlichkeit gestritten. Und noch etwas: Herr Rubacher kennt sich am Ort der Tat bestens aus. Nur wenige Meter entfernt hat er sein Boot liegen. Wir sind übrigens gerade dabei, es auf Spuren zu untersuchen.«
Adolf Wenzel, der inzwischen dazugekommen war und an der Wand lehnte, stöhnte innerlich und sah verstohlen auf die Uhr. Ludwig Rubachers cholerisches und händelsüchtiges Wesen wurde nur durch die für ihn beklemmende Situation unter Kontrolle gehalten. In ihm breitete sich Angst aus, die Angst, verloren zu sein. Es ließ ihn schweigen.
Lydia Naber sagte zum Anwalt: »Das ist sicher eine neue Situation für Sie, und ich denke, Sie sollten sich mit Ihrem Mandanten besprechen.«
Sie stand auf, Schielin brauchte ein, zwei Sekunden bis er kapierte, dass sie das gesagt hatte, um sich mit ihm besprechen zu können. Wenzel folgte den beiden nach draußen.
»Und, wie machen wir weiter?«, fragte Lydia.
»Wo ist der Sohn?«, wollte Schielin von Jasmin Gangbacher wissen.
»Unterwegs, Kneipe, Kumpels, keine Ahnung – es ist Samstagabend, und er scheint nicht so ein Kniefiesler wie sein Vater zu sein.«
»Mhm. Wie bist du eigentlich da drauf gekommen?«
»Ich kenne den nicht persönlich, aber so vom Sehen halt. Ich mache doch selbst Judo, und der Name Rubacher … mir ist eben eingefallen, dass da diese Meisterschaften waren …«
»Was machen wir jetzt mit dem Kerle?«, insistierte Lydia Naber.
»Erkennungsdienstlich behandeln, volles Programm, und dann kann er gehen?«
»Gehen? Er soll danach wirklich gehen?«
»Wir kriegen doch niemals einen Haftbefehl, Lydia. Das mit dem zweiten Lager und dem Zeug, das ihr gefunden habt, ist zu dünn. Wir wissen doch noch gar nicht, woher das genau stammt. Er kommt uns nicht aus, wo soll er denn hin. Ich will seine
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