Heidenmauer
als ich am Boden lag. Es ging alles so schnell, und es war so … wie eine Explosion, so plötzlich und … ich konnte gar nicht schreien oder um Hilfe rufen. Ich bin dann, als es aufhörte, zurück in die Wohnung gekrochen. Als ich wieder zu mir kam, war es schon dämmrig draußen«
»Waren sie bei einem Arzt?«
»Nein.«
»Nein? Aber Sie brauchen doch ärztliche Hilfe.«
»Ich kann mir schon ein wenig selbst helfen. Gebrochen ist wohl nichts. Aber … als ich dann gehört habe, was passiert ist …«
»Wie haben Sie davon erfahren?«
»Eine Freundin war hier, sie ist übrigens Ärztin, und sie hat es mir erzählt. Von Günther und mir wusste sie nichts Konkretes, aber wer konnte es sonst sein – dieser tote Journalist, am Sonntag in der Nacht, da vorne erschlagen. Wissen Sie, ich lebe in der Angst …« Sie redete nicht weiter, und es war, als fehlte ihr die Kraft dazu.
Schielin wollte sich bei Gelegenheit diese Freundin einmal vornehmen.
»Meine Freundin, sie hat natürlich sofort die Polizei verständigen wollen, aber ich habe es ihr verboten, ich habe es ihr verboten.«
Schielin fragte nicht, warum. »Sie müssen jetzt jedenfalls zu einem Arzt«, sagte er bestimmt.
Sie nickte, aber es war nicht das Nicken einer Zustimmung.
»Was ist?«, fragte er.
Sie sah ihn verzweifelt an. »Ich traue mich nicht mehr raus, ich kann da nicht mehr raus. Ich habe solche Angst. Ich habe es schon ein paar Mal versucht, aber mir wird nach der Türschwelle jedesmal schlecht und schwindelig.«
Er beschwichtigte sie. »Das ist verständlich. Sie haben Angstzustände und brauchen Hilfe – alleine schaffen Sie das nicht, aber gemeinsam bekommen wir das hin.«
Er telefonierte mit Lydia Naber. Sie sollte umgehend hierherkommen. Wenzel musste verständigt werden, um zu versuchen vielleicht noch einige Spuren sichern zu können. Mirabeau Sehender brauchte außerdem psychologische oder seelsorgerische Betreuung.
»Haben Sie eine Vorstellung davon, womit man Sie geschlagen hat, Frau Sehender?«, fragte Schielin.
Ihr Gesicht verzog sich zu einer schmerzhaften Miene. »Es war hart, aber nicht aus Metall, und es hatte keine Kanten, Gott sei Dank … keine Kanten. Vielleicht ein Stück Holz oder etwas aus Kunststoff, ich weiß es nicht.«
Der Sanitätswagen traf bald ein. Auch die junge Notärztin musste wieder Geld verdienen und kümmerte sich um Mirabeau Sehender. Lydia Naber kam irgendwann danach an.
Schielin hatte die Wohnungsschlüssel an sich genommen und Mirabeau Sehender versprochen, sich um alles Weitere zu kümmern. Und er hatte auch die Telefonnummer ihrer Freundin. Jetzt saß Lydia ihm gegenüber auf dem Ledersofa und hörte seinem Bericht zu.
Sie schüttelte den Kopf, als er zu Ende gekommen war. »Es passt zwar in den zeitlichen Rahmen, aber die Vorstellung fällt mir schwer, dass es sich um den gleichen Täter gehandelt haben könnte.«
»Wir können es aber auch nicht völlig ausschließen.«
»Das nicht. Aber der Kerl, der Günther Bamm erschlagen hat, der wollte das, und zwar gleich mit dem ersten Schlag. Alles, was du bisher von dem Vorfall hier erzählt hast …«
Schielin stand auf. »Ich weiß, ich weiß. Wenn es denn der gleiche Täter gewesen wäre – wieso hat er dann nicht auch sie getötet. Die Chance dazu bestand schließlich.«
»Vielleicht ist er gestört worden.«
»Nein, das glaube ich nicht. Ich gehe trotzdem davon aus, dass wir es mit zwei Tätern zu tun haben.«
Lydia Naber blieb bei dem Gedanken. »Es könnte doch sein, dass es sich um eine Bestrafung handelte und jeder gemäß einer imaginären Schuld zur Rechenschaft gezogen wurde, dass wir es mit jemandem zu tun haben, der auf einem Rachetrip ist, ein Sühneengel, oder so.«
»Das halte ich für sehr unwahrscheinlich. Auch was den zeitlichen Ablauf angeht. Erst hier die Frau niederschlagen, dann Günther Bamm nachlaufen und ihn töten.«
»Musste der Täter ja nicht, denn wenn Günther Bamm den Schlüssel vergessen hatte, dann wäre er schon auf dem Rückweg gewesen und dem Täter direkt in die Arme gelaufen. Allerdings kann es auch nicht sein, dass Günther Bamm zurückgekommen ist, denn dann hätte er sich doch um seine Geliebte gekümmert. Er kann auch nicht auf den Täter getroffen sein. In diesem Fall wäre es schon hier im Treppenhaus eskaliert. Irgendjemand hat Günther Bamm, nachdem er die Wohnung hier verlassen hat, dazu bewegen können, nach vorne in den Stadtgarten zu laufen.«
»Er kommt hier mit dem Zug an, lässt
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