Heidi Klum - Chamäleongesicht. Biographie (German Edition)
1992 hat die erste Störung in den Ablauf gebracht. Denn seitdem kämpft Heidi um Aufträge, und ist dabei nicht besonders erfolgreich. Sie hat in dieser Phase keine Zeit für eine Beziehung. Vor allem: Sie hat keine Zeit mehr dafür, in Südtirol „Hiatamadl“ zu singen, wenn es darum geht, auf den Laufstegen Mailands zu reüssieren. Die Beziehung stirbt letztendlich an dem, woran auch nachfolgende Beziehungen Heidis kranken werden: An der Unbeirrbarkeit, mit dem sie ihre Ziele verfolgt. Diese Unbeirrbarkeit, die sie letztlich bis an die Spitze bringen wird. Im Jahr 1992 ist dieses Ziel noch nicht abzusehen. Heidi arbeitet für eine italienische Firma als Dessous-Model, dreht für Swatch einen TV-Spot. Sie muss nach Paris, wo sie zu Hunderten von Castings geht. Um gegen die schönsten Frauen Europas bestehen zu können, hat sie sich einen vorstehenden Schneidezahn abschleifen lassen, und an ihrer Figur gearbeitet. Sie sieht topp aus. Aber sie ist immer noch kein klassisches Model, relativ klein. Und was sie selbst in Eigenregie für ihre Figur tun konnte, war zu wenig. Der Busen ist zu groß, die Hüften zu speckig, man will den Look einer Kate Moss – eingefallene Wangenknochen, vorstehende Rippen. Heidi sieht zu gesund, zu sehr nach dem Mädchen von Nebenan aus. Das sagt man ihr tagtäglich und immer wieder. Die 19jährige ist entmutigt. Sie fühlt sich wie ein Stück Fleisch. Und sie fühlt sich falsch am Platz, schon weil sie nicht die Kleidergröße hat, die es ihr ermöglichen würde, die neuesten Modekreationen auf dem Laufsteg zu tragen. „Oder damals, als ich nach Paris gegangen bin und sie gesagt haben, versuch doch, die großen Modeschauen zu machen und ich habe dann nie in eine Klamotte gepasst und das war dann auch blöd“, sagt sie später, als sie auf die Schwierigkeiten verweist, mit denen ihre ersten Gehversuche verbunden waren.
Man rät ihr unter der Hand, sie solle in Paris auf Partys gehen, einflussreiche Männer kennenlernen, mit ihnen schlafen. Nur so könne man den Sprung schaffen. Sie erhält nur kleinere Aufträge, zu wenig, um davon zu leben. Es ist eine schwere Zeit für sie, und sie spürt immer deutlicher, dass ihr dabei der Südtiroler Naturbursche keine Stütze sein kann. Hilflos schlägt er ihr schließlich selbst vor, sich auf ihre Karriere zu konzentrieren. In ihrem Buch schreibt sie darüber weit offener als je zuvor: „Einmal ging ich mit einem Burschen aus Südtirol, wo meine Eltern ein Wintersportdomizil gemietet hatten. Ich war echt davon überzeugt, dass wir beide heiraten, in den Bergen leben, ein Gasthaus eröffnen und eine ganze Kinderschar haben würden. Ich freute mich auf mein Leben als Südtiroler Hausfrau, wo ich Betten machen und die eintrudelnden Horden von Skiläufern bekochen würde – bis er mich überzeugte, dass mich das nie glücklich machen würde.“ Es ist also nicht Heidi, die Seeber nach einem Jahr der Beziehung verlässt, sondern er, der ihr klar macht, dass sie weiter muss, zu einem Gipfel, den er nicht erklimmen kann. Die beiden entfremden sich voneinander. Doch so wirklich nimmt Heidi von ihrem hiesigen Leben erst Abschied, als sie vor ihrem Flug nach Miami steht. Und dieser Schritt geschieht aus einer Not heraus, ist die tiefe Enttäuschung über ein verlorenes Jahr, in dem nichts von dem, was der Gewinn des Modelwettbewerbs versprach, in der Realität eingelöst wurde. Heidi hat einen Traum geträumt, doch sie ist hart auf dem Boden der Tatsachen aufgeschlagen. Sie hat in Hamburg, Mailand und Paris versagt. Für den Laufsteg ist sie zu klein, und für die Modemagazine zu dick. Dass man sie in Paris „nicht kennt“, wird ihr Karl Lagerfeld Jahre später höhnisch vorhalten. Lagerfeld, der Schiffer verehrt, für Heidi aber keinen Blick hat.
Wenn man auf YouTube die Siegerin des Wettbewerbs „Model '92“ betrachtet, sieht man eine Schülerin, die bereits zur Frau herangereift ist. Sie spricht von ihrem Freund scheu und voller Achtung. In dem Buch, das das Topmodel Heidi Klum während seiner ersten Schwangerschaft verfasst hat, steht von diesem Gespräch mit Thomas Gottschalk vor laufender Kamera nichts. Der Bericht über ihren ersten Triumph fällt kurz aus. Denn die Bitterkeit über das, was danach folgte, verdunkelt den Sieg. Heidi glaubt dadurch, dass sie Erste geworden ist, auch unabhängig geworden zu sein. Tatsächlich aber lernt sie, dass man allein auf sich gestellt schnell zum Spielball der Mächtigen wird. Um im Haifischbecken der
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