Heidi Klum - Chamäleongesicht. Biographie (German Edition)
Bühne, in der Mitte Heidi im kurzen Schwarzen mit silbernen Ringen auf Taille. Sie ist die Kleinste von allen. Sie wirkt sehr gelassen. Als ihr Name ertönt, gibt es einen Tusch und Trockeneisschwaden, durch die sie dann ruhig, als würde sie Instruktionen befolgen, ins Licht auf die Bühne tritt. Die Szene wirkt wie gestellt, es scheint dabei kein Zufall, dass Heidi von den anderen Kandidatinnen flankiert wird. Denn das ist die optisch beste Lösung für diese Situation. Es ist auch keine große Überraschung in Heidis Gesicht festzustellen – was aber auch der Tatsache geschuldet sein kann, dass 1992 Menschen, die ins Fernsehen kommen, noch nicht gelernt haben, blitzschnell Emotionen zu zeigen. Wo heute Tränen automatische Reaktion, ein Kreischen obligatorisch und Freudensprünge an der Tagesordnung sind, wirken Menschen, die vor der Reality-Welle ins Fernsehen kamen, für den heutigen Betrachter verblüffend normal. So auch Heidi. Was sie fühlt, zeigt sie keinem. Sie senkt einfach folgsam die Augen und kommt durch den Zuschauerraum die Treppe herab im grellen Scheinwerferlicht. Es regnet Feuerwerk und Flitter, und Thomas Gottschalk gibt ihr einen Blumenstrauß. Auch von der Modelagentur gibt es ein Blatt Papier in einem Einband, auf dem steht, dass Heidi einen Drei-Jahres-Vertrag im Wert von 300.000 Dollar bekommt.
Gottschalk: „Das heißt, Heidi, dein Leben wird sich jetzt in beträchtlicher Form ändern. Das nimmst du billigend in Kauf?“
Heidi (scheu die Augen senkend): „Ja.“
Gottschalk (verliert sich in einem Endlossatz, während Heidi ihn betrachtet, den Mund verzieht, lächelt, sich konzentriert): „Das heißt, du wirst reisen. Hast du irgendwo einen eifersüchtigen Verlobten, das heißt, macht der mit, oder gibt das eine Diskussion eine größere, also jetzt muss ja jeder davon ausgehen, Eltern, Freunde, dass du's werden könntest unter den letzten sechs.“
Und jetzt kommt es. Überraschend. Heidi sagt: „Ich hoffe, der Freund macht mit.“
Gottschalk: „Das hoffen wir auch. Ist er da? Hast du ihn mitgebracht?“
„ Nein, der guckt zu Hause.“
„ Der guckt zu Hause fern.“ Gottschalk wendet sich an Heidis Freund vor dem Fernseher, zeigt auf sie: „Hier ist sie. Also guck sie dir noch mal gut an, wir geben dir auch ein Tape, falls sie jetzt öfters unterwegs ist. Manche Models nehmen einen ja ab und zu auch mit und da lernt er dann auch was von der Welt kennen.“
Wer die zur Verfügung stehenden Schilderungen Heidis - aber auch anderer – liest, wie Heidi 1992 zum Model gekürt wird, hört heute nichts mehr von einem Freund. Und wenn man es heute nicht selbst auf YouTube anschauen könnte, würde man auch nichts davon erfahren. Denn in den Darstellungen der jungen Heidi steckt sie tief in ihrer Herkunftsfamilie, ist ein Mädchen, das vielleicht auch schon mal einen Freund gehabt hat. Aber keinen, der auch als Ehemann denkbar ist. Einen, der mitreden kann. Einen, der Heidi zur Frau gemacht hat, und den sie liebt. Es ist Gottschalk in seiner Plauderei überlassen, auf das Offensichtliche hinzuweisen. Und das besteht darin, sich in dem Alter, in dem man den Führerschein machen darf, sich auf Partnersuche zu begeben, und das allein und unbewacht, und nicht immer nur auf eingetretenen Wegen, sondern auch auf Abwegen. Unwillkürlich fragt man sich heute: Weiß Gottschalk mehr, als damals allgemein bekannt ist? Als Heidi in Amerika erste Erfolge feiert und man sie auch in ihrer Heimat kennenlernt, ist sie nur mehr als Model denkbar. Die Galionsfigur der Heidi Klum GmbH scheint da kein Vorleben mehr zu haben. Ein anderer Lebensentwurf als den, die gelungene Verkörperung der Geschäftsideen ihres Vater zu sein, ist da nicht mehr denkbar. Es würde über ein Jahrzehnt, bis zum Jahr 2005, dauern, bis man erfahren würde, wen Heidi 1992 eigentlich mit der Bezeichnung „mein Freund“ gemeint hat. Es handelt sich um ihre erste große Liebe, einen Südtiroler Skilehrer namens Gottfried Seeber, der heute als Akkordeonspieler der Volksmusikgruppe „Die Pustertaler“ einen gewissen Bekanntheit erreicht hat. Dieser hat in einem unbedachten Moment im Frühjahr 2005 im Lodenwirt in Vintl in Südtirol einem befreunden Lokalreporter gesagt, dass er einmal mit Heidi Klum zusammen war. Das Gespräch findet wenige Monate nach dem Erscheinen der deutschen Ausgabe von Heidis autobiographischen Buch „Heidi Klum. Natürlich erfolgreich“ statt. Seeber spricht davon, dass er, wenn alles seine Ordnung
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