Heidi Klum - Chamäleongesicht. Biographie (German Edition)
Seite in der Freundin gewidmet. Aber ein einziger Besuch bei der Agentur, wo sie anderen Models über den Weg läuft, reicht aus, um ihr das Gefühl zu geben, als Siegerin der Kreisklasse plötzlich in der Oberliga mitspielen zu wollen, sät Selbstzweifel. Jahre später, gegenüber den Bowes, gibt sie dieses Unterlegenheitsgefühl ungeschminkt zu: „Zu dieser Zeit war Claudia Schiffer wirklich sehr, sehr populär, und Eva Herzigova auch. Sie kamen in die Agentur und ich sah sie und sah dann mich und dachte: Vielleicht bin ich drei oder vier Jahre jünger, aber so sehe ich wirklich nicht aus. Sie sind alle so groß und dünn und großartig, mit langen, blonden Haaren bis zum Hintern hinunter. Sie waren wie Barbie-Puppen, einfach perfekt. Und ich schaute in den Spiegel und wusste, dass ich mich mit denen nicht vergleichen kann.“
Ein Grund, dass es mit Metropolitan Models in Europa nicht geklappt hat, liegt auch daran, dass Thomas Zeumer, der Heidi bei Gottschalk ausgewählt hat, seinen Sitz in New York hat. In Paris hat Heidi mit Leuten um zu tun, die sie nicht kennen und die sie nicht kennt. Erschwerend tritt hinzu, dass Heidi kein Französisch kann. Auch ihr Englisch ist zu dem Zeitpunkt so schlecht, dass sie keine ernst zu nehmenden Gespräche mit Bookern führen kann. Deshalb wird Thomas Zeumer, der „Typ von der Agentur“, in dieser Zeit für sie die zentrale Bezugsperson, denn er vermittelt zwischen den Parteien. Eines Tages ruft Heidi frustriert in New York an, und fragt, ob sie hinüber kommen kann. Widerwillig stimmt er zu, weil er keine Chance für Heidi sieht. Wer es in Europa nicht schafft, wie will der amerikanische Zweifler überzeugen? Aber Heidi ist unerbittlich in ihrer Entschlossenheit. Sie schließt als Vorbereitung für den Sprung über den großen Teich eine internationale Krankenversicherung ab, nimmt sich einen Anwalt und kauft sich ein „immer griffbereites Telefon als Verbindung zu meinen Eltern“, ein interkontinentales Handy, das es damals nur in Sonderanfertigung gibt. Von Seiten der Agentur hat man ihr gesagt, dass sie nach Miami zu Probeaufnahmen gehen soll.
Im Sommer 1993 ist es so weit. Heidi lernt den South Beach der Stadt kennen, wo man tagaus tagein immer wieder Kameracrews mit Models beobachten kann, die auf dem Ocean Drive oder um das News Cafe herum Shootings machen. Heidi: „Ich war in der Party-Hauptstadt gelandet. Ich konnte es gar nicht glauben, was dort los war. Ich war erst neunzehn und hatte noch nie so viele gut aussehende Menschen gesehen.“ Heidi taucht in Cowboystiefeln aus Schlangenleder und Lederwesten in dem einfachen, von Models überfüllten Hotel auf, das Metropolitan für sie gebucht hat. Binnen weniger Tage wird in ihrem Zimmer eingebrochen. Pass und Kreditkarten sind weg. Heidi lässt sich davon nicht beeindrucken. Sie geht ungerührt von einem Casting zum anderen. Diese finden meist in Hotellobbys statt, wo sich neue Models drängen. „Das waren Castings, wo du deinen Namen auf eine Liste setzt und du bist die Nummer 250. Also gehst du die Straße hinunter, hast einen Cafe Latte, kommst eine Stunde später zurück und du bist immer noch nicht dran.“ Heidi hat keine Hoffnung, auf diese Weise im Pulk entdeckt zu werden. „Vier Wochen davon, und ich sagte mir: Nichts wie weg.“
Sie achtet darauf, dass sie eine schöne Präsentationsmappe mit Fotos zusammenbekommt. Denn immerhin sind die Fotografen vor Ort Profis. Und es ist schön in Miami, das Wetter mild und die Sandstrände klasse, doch die Männer, die man hier trifft, sind meistens nur an kurzen Dates interessiert und können einem beruflich nicht weiterhelfen. Eines Tages hat Heidi von all dem genug. Sie ist ziemlich geladen, als sie Thomas Zeumer in New York anruft und in den Hörer brüllt: „Ich sitze hier mit 400 Leuten bei einem Casting! Ich habe doch einen großen Wettbewerb gewonnen! Ich möchte arbeiten! Wie soll es jetzt mit mir weitergehen?“ Zeumer verspricht, ihr ein Flugticket schicken. Mehr kann er für sie nicht tun. Im Flieger lernt sie einen Fotografen kennen, der sich ihrer bei der Ankunft annimmt. Zeumer hat ihr zwar versprochen, man werde sie am Flughafen abholen, doch da ist jetzt keiner. Der Fotograf bietet ihr an, mit ihr ein Taxi in die Stadt zu teilen. Es ist ihr erster Aufenthalt in der Millionenstadt. Während der Fahrt ist Heidi von der Skyline von New York überwältigt. „Die Fahrt nach Manhattan hinein war schier überwältigend, da waren so viele Eindrücke
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