Heidi Klum - Chamäleongesicht. Biographie (German Edition)
Richtige, das spürt sie. Deshalb hat sie sich ja auch kurz zuvor bei „Model 92“ beworben. Heidi graut vor der Vorstellung, irgendwo in einer Werkstatt über einem Werkstück zu sitzen. Sie ist jemand, die immer in Bewegung ist, und mit Menschen umgehen möchte. Deshalb empfindet sie sich in diesem Winter, wo noch keine Antwort auf ihre Bewerbung eingetroffen ist, zwischen allen Stühlen. Die Rolle als Schülerin erscheint ihr absurd, denn sie ist längst eine Frau geworden. Und doch kommt sie sich so unreif, so unvorbereitet auf das Leben vor, dass sich unendlich lang vor ihr erstreckt. Heidi ist in diesem Winter eine Suchende. Wenn sie in sich hineinhorcht, dann ist da auch der Wunsch nach einer Familie, nach Kindern. Es ist ein Sehnen, das Heidi zu einem Mann führt, der ihrem Leben eine Richtung geben kann.
Gottfried Seeber stammt aus einem Dorf, in dem es nur eine Handvoll Namen für all die Leute gibt, die hier wohnen. Es ist eine abgeschlossene Welt, in der man schulisch selten bis zum Studium geführt wird. Cool kann man hier in der Gegend als Jugendlicher nur sein, indem man Schilehrer wird. Später übt man dann ein Handwerk aus oder arbeitet in der Touristikbranche und blickt dann auf die Jugend mit ihren Möglichkeiten wehmütig zurück. Denn es ist eine Gegend und eine Gesellschaft ohne große Entwicklungsmöglichkeiten. Wer sich mit den herrschenden Bedingungen nicht zufrieden gibt, muss aus dem Tal fortgehen, muss sich woanders beweisen. Dafür fehlt Seeber der Mut. Er spürt: Er ist hier gut aufgehoben. Denn für die große Karriere fehlt ihm so Einiges. Deswegen ist ihm von Anfang an in der Beziehung mit Heidi klar, dass er ihr nicht geben kann, was sie braucht. Sie ist für den großen Erfolg geschaffen, das erkennt er sofort. Wie sie diesen Erfolg finden kann, dazu kann er nichts beitragen. Er kann ihr auf ihrem Weg nicht helfen. Wenn Seeber heute über Heidi spricht, schwingen der Ernst und die Innigkeit von damals mit – und Reue darüber, überhaupt als Erwachsener noch einmal über etwas gesprochen zu haben, dass auch heute noch nach all den Jahren zu einem Südtiroler, der in der Enge der Bergwelt lebt, einfach gehört. Es ist ein sehr gerader Menschenschlag, der nichts vergisst, der Empfindungen ein Leben lang in sich tragen kann, auch wenn eine schnelllebigere Welt draußen längst darüber hinweggegangen ist. Seeber will sich an Heidi so erinnern wie vor der großen Medienaufregung und den vielen daraus resultierenden Interpretationen. „Sie war doch fast noch ein Teenager damals“, meint er. Er erinnert sich an ihre entscheidende Begegnung so: „Es war ein schöner Wintertag, und ich wedelte mit der Heidi die Pisten runter. Wir waren beide gut drauf und verabredeten uns für den Abend.“ Nach einem gemeinsamen Abendessen („Heidi isst am liebsten Tiroler Speckknödel“ - wenn Hähnchen-Ewald das wüsste!) und einem Schnaps bedankt sich Heidi bei ihm mit einem zärtlichen Kuss. Noch am selben Abend gesteht sie ihm, etwas verlegen und schüchtern, dass sie sich in ihn verliebt hat.
Es folgen wunderschöne Wochen. Beide sprechen von der großen Liebe. Heidi denkt über Kinder und eine Hochzeit nach. Sie überlegt ernsthaft, in Südtirol zu bleiben. Nach der Heimreise überbrücken sie mehrmals die weite Fahrt nach Bergisch-Gladbach. Heidi begleitet ihn auf die Schutzhütte, wo er als Kellner aushilft. Sie packt dort selbst mit an. Sie fährt mit seiner Musikgruppe zu den Konzerten mit und darf dort selbst erste Gehversuche im Showbusiness wagen, indem sie neben Gottfried auf der Bühne steht. Hubert von Goisern ist zu der Zeit ein großer Star, der Volksmusik und Weltmusik verbindet. Sein Hit „Hiatamadel“ gefällt Heidi gut. Sie singen ihn mehrmals unter großem Zuspruch des Publikums gemeinsam: „Heidi kann total gut singen. Wir haben zusammen gesungen und sie hat hervorragend gejodelt ... wenn ich das Lied heute im Radio höre, habe ich noch die Stimme von Heidi im Ohr“, erzählt Seeber im Jahr 2005.
Dass sie an Heirat denkt und Kinder plant, erschreckt den 25jährigen. Und doch hat Heidi etwas Besonderes. Es ist etwas, das mehrere Männer, die sie gekannt haben, danach über Heidi erzählen werden: „So lieb, natürlich, zugänglich und unkompliziert, einfach zum Gernhaben.“
Die Beziehung zieht sich „fast über ein Jahr“, also bis zum Winter 1992/1993, als Heidi schon mit dem Gedanken spielt, nach Amerika zu gehen. Der Gewinn des Modelwettbewerbs im April
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