Heidi Klum - Chamäleongesicht. Biographie (German Edition)
Eigenschaften hat. Ist das aber der Fall, dann darf es auch erwarten, von der besten Agentur vertreten zu werden. In diesem Zusammenhang versteht man, warum Heidi in ihren ersten Jahren mehrmals die Agentur wechselt. Denn sie kann mit einer Agentur nur zufrieden sein, wenn ihr Potential erkannt und ihre Leistungen gewürdigt werden und man ihr konkrete Vorschläge für die Zukunft unterbreiten kann, wie aus diesen Anlagen und diesem Einsatz eine Topkarriere werden kann. Diese Lehre hat Heidi aus ihren ersten drei Jahren gezogen. Sie kennt sich jetzt im Business aus, und der erste Schritt, den sie nun selbstständig geht, ist der, bei einer neuen Agentur zu unterschreiben.
Ob es aber wirklich so günstig war, zu Elite zu wechseln? Immerhin schickt ihr Thomas Zeumer keine Flüche nach, wie das Elites Chef zwei Jahre später anlässlich ihres Abschieds tun wird. Aber eigentlich kommt sie hier vom Regen in die Traufe. Wo Zeumer eine Claudia Schiffer unter Vertrag hat, setzt ein John Casablancas auf ausgewiesene Topmodels wie Naomi Campbell und Gisele Bündchen. Heidi gehört hier nicht zur ersten Sahne. Sie steigt hier als Katalogmodel ein, ein sicherer Geldbringer, der aber nicht das Zeug hat, zum Spitzenverdiener aufzusteigen. Und obwohl sie ihren Vertrag mit Newport News ohne Elite zustande gebracht hat, rühmt sich Casablancas später, Heidi erst „entdeckt“ haben zu müssen: „Anfangs war sie ein fader deutscher Pummel ohne Talent, der gerade mal 975.000 Francs (291.000 Mark) jährlich verdiente.“ Innerhalb von zwei Jahren habe seine Agentur aus ihr, so Casablancas, einen Star gemacht, der das Zwanzigfache verdient habe. Heidi leide, so der Elite -Chef weiter, an einem Übermaß an Ego und an Knauserei. Größenwahnsinnig und geizig zugleich – das sind starke Worte. Dass Heidi mit Geld gut umgehen kann, werden die späteren Jahre zeigen, aber ist das automatisch ein Fehler? Schon 1994 kann sie sich in New York eine kleine Wohnung kaufen, die zwar nicht viel mehr als ein Schlauch ist, aber immerhin ein kleines Stück Heimat in einer der teuersten Städte der Welt. Größenwahnsinnig ist sie nie gewesen, gibt sich aber auch nicht automatisch mit dem Platz zufrieden, der ihr von Mächtigeren zugewiesen wird. Sie will immer höher hinaus, als das andere für sie planen, und es ärgert sie, dass Elite sich nun in der Folge zu wenig für sie einsetzt: „Die hatten mir den Vertrag mit Newport News zwar nicht verschafft, aber sie scheffelten dafür das ganze Geld meiner neuen Klienten. Und das war nicht wenig: Anfangs bekam ich 1500 Dollar am Tag. Dann waren es 5000 und später 10.000. Ich kaufte Häuser, und meine Familie – mein Bruder, meine Tante, meine Eltern – leben darin. Katalogarbeit war allerdings keine Arbeit, die mich erfüllte oder forderte. Ich wollte versuchen, die nächste Stufe zu erreichen. Leider teilte Elite meinen Enthusiasmus nicht. Sie hatten mir ursprünglich versprochen, meiner Karriere eine andere Richtung zu geben, doch die Wende blieb aus.“
Casablancas' abfällige Worte aus dem Jahr 2000 würden Heidi über viele Jahre trotzdem verfolgen. Vor allem die Übersetzung aus dem Französischen (das Originalinterview wurde dem Magazin VSD gegeben), Heidi sei eine „talentlose deutsche Wurst“ gewesen und das Zitat „hinter diesem Lächeln verbirgt sich das Herz eines Hais“ würden wieder und wieder in den folgenden Jahren von Journalisten zitiert werden, ungeachtet der Tatsache, dass sie von Casablancas in einem Moment großer Enttäuschung über die Modewelt im Allgemeinen und als Reaktion auf eine Dokumentation der BBC geäußert wurden, in der Filmemacher Donald MacIntyre mehreren Managern von Elite schockierende rassistische und sexistische Bemerkungen entlockt hat. Die Modelindustrie hat zu diesem Zeitpunkt ihre wilden Jahre hinter sich, und es droht der Totalabsturz der Agentur. Es werden auch alte Geschichten aufgewärmt, in denen John Casablancas von mehreren Seiten vorgeworfen wird, mit jungen Models geschlafen zu haben. Als Casablancas dann Elite im Februar 2000 in Richtung Lateinamerika verlässt, gleicht sein Abgang einer Flucht. Im Interview spricht er darüber, völlig überarbeitet zu sein. „Es gab in letzter Zeit eine Serie von Ereignissen, die mich ausgehöhlt haben“, sagt er in einem Gespräch, das angeblich von einem Journalisten heimlich aufgezeichnet und gegen seinen Willen veröffentlicht wird, „und jetzt gehe ich auch. Ich lasse diese Stars zurück,
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