Heidi Klum - Chamäleongesicht. Biographie (German Edition)
verstärkt ihren Akzent noch, und beginnt dadurch, aus dem Klischee auszubrechen. Dazu gehört auch die alte Behauptung, sie habe ihren Brüsten Namen gegeben. Diese Namen sind für die Amerikaner so deutsch wie wenig anderes. Einer heiße Hans und der andere Franz. Aber dass eine Deutsche ihren Brüsten Namen gibt, hat man noch nie gehört. Dann wieder das Jodeln. Auch das Jodeln gehört zu den Holzschnittmustern deutschsprachiger Klischees, wird aber auch mit Schweizern oder Österreichern in Verbindung gebracht. Diese Unterscheidung trifft in Amerika keiner so genau, und deshalb darf es auch nicht verwundern, wenn in Internetbiographien von Heidi immer wieder einmal behauptet wird, sie sei österreichischer Herkunft. Österreich ist sehr positiv besetzt, seitdem ein Hollywoodfilm mit Julie Andrews über die Familie Trapp, die den Nazis entflieht, für Furore gesorgt hat. Diese singende, jodelnde Familie ist das Klischee, in das Heidi wie in ein wärmendes Gewand schlüpft. Österreich gut, Nazis schlecht, Heidi gut. Dass die Nachkriegs-BRD, in der Heidi aufgewachsen ist, in Amerika noch keine eigenständigen Versatzstücke hinterlassen hat, wundert sie denn doch. „Aber irgendwie spukt in amerikanischen Köpfen diese Vorstellung herum, dass in Deutschland alle Frauen Zöpfe und Dirndl tragen und eine Kuckucksuhr an der Wand hängen haben“, sagt sie einmal. Das kann sie nutzen, das ist gut, denn es lenkt von der jüngeren Geschichte ab. In den Augen der Amerikaner schließen sich Jodeln und der Nationalsozialismus aus, den man in anderen Ländern immer noch fürchtet. Eines ist unbeschwert, naturnah und bodenständig, das andere abgehoben, grimmig und verkrampft. Jodeln durchbricht soziale Schranken. Es ist eine Form der Lebenseinstellung, die mit dem Jodeln laut zu werden scheint, Marke: Heidi ist immer lustig, sie liebt die Natur und sie ist offen. Seit ihrer Ehe mit dem afrikanischstämmigen Seal ist es für Amerikaner dann auch bald offensichtlich, dass Heidi „color-blind“ ist. In einem Land, in dem ein großer Teil der Bevölkerung Rassenschranken wahrnimmt, gehört einer, der in der Beziehung farbenblind ist, zum linken Establishment, und steht im Gefolge von „Flower-Power“, ist also der Anti-Nazi schlechthin. Auch dazu passt das Fröhliche, Unbeschwerte einer Frau, die im anderen nicht die Herkunft, nicht den sozialen Status, nicht die Hautfarbe sieht, sondern den Menschen. All das hat Heidi von Anfang an gleichsam mit ihrem akustischen Markenzeichen für jeden verständlich gemacht. Die Strategie geht auf. Heidi gilt den Amerikanern bald als „all American“, ein schwammiger Begriff, der außerhalb des Landes bedeutungslos ist. Mit dieser Bezeichnung wird man Heidis Wesensart häufig in US-amerikanischen Medien beschreiben. „All American“ ist der Optimismus der Einwanderer verschiedenster Herkunft, der dieses Land aufgebaut und groß gemacht hat. „All American“ ist fröhlich, gesund und fleißig. „All American“ ist eben Heidi. Bei der Präsentation der MTV Awards 2001 für R& B steht sie im ultrakurzen Minikleid mit Boris Becker auf der Bühne, beginnt hüftschwingend zu grooven und ruft: „Boris, can you handle this?“ und er streckt linkisch die Finger im V-Zeichen nach oben und gibt versuchsweise tanzend zurück: „I can't handle you, Heidi!“ [3] Der Zuschauer versteht: Boris ist steif, etwas zum fremdschämen. Ein typischer Deutscher eben. Und Heidi? Die hat es geschafft. Sie ist international, gehört einer neuen schrankenlosen Generation an, gehört zu der Welt von morgen.
Heidis Szene in der Fernsehserie Spin City , als sie mit Michael J. Fox nach dem Sex im Bett liegt und statt einer Zigarette plötzlich spontan in Jodeln ausbricht, wird sie allerdings jahrelang verfolgen und bald zur Last werden. Als sie Jay Leno viele Jahre später zum Jubiläum ihres damals schon zehnten Auftritts in der Tonight Show bittet, auch für ihn zu jodeln, muss sie das tun, sprengt mit mit einem Lustschrei ihren Perlen-BH und macht wiederum wie eh und je dabei auf ihre Brüste „Hans“ und „Franz“ aufmerksam, obwohl diese ganzen Klischees längst bis zur Unerträglichkeit abgelutscht sind. Aber der Zuschauer mag es, sei immer wieder präsentiert zu bekommen, vor allem, wenn wieder ein neues Bild das alte in den Köpfen zementiert, wenn die Presse darüber schreibt. Die Szene ist Anlass für einen neuen Eklat, der durch die Medien gezogen wird und wiederum Heidis Image als
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