Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Heidi und die Monster

Titel: Heidi und die Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter H. Johanna;Geißen Spyri
Vom Netzwerk:
vor der Berührung zurück.
    »Wer ist da?«
    Fahrig zog Tinette Streichhölzer aus der Tasche und ließ eines aufzischen. Der Anblick hätte schlimmer, zugleich erhellender nicht sein können. Die Wiederkehrer waren da! Sie waren eingedrungen! All die Mauern, die Wächter und Waffen hatten das nicht zu hindern vermocht. Das Hölzchen verglomm, Tinette strich das nächste an. Wachsam schaute sie sich um. Lauerten sie in der Nähe schon auf ihr nächstes Opfer, oder waren sie ins Obergeschoss weitergezogen?
    Dort lag noch jemand - Dete! Die Bedauernswerte wies einen grässlichen Biss in die Kehle auf. Doch als das Stubenmädchen sich zur Köchin beugte, sah sie, dass es nicht der Biss eines Wiederkehrers war: Ein Zombie wäre nicht imstande, seine Zähne gezielt dort hineinzuschlagen, wo das meiste Blut hervorquoll. Die Wiederkehrer wollten bloß Fleisch, sie mussten Fleisch fressen, um der Verwesung ihres eigenen Fleisches entgegenzuwirken. Hier aber - Tinette hielt das Hölzchen darüber - fand sie zwei Bisswunden über
der Halsschlagader. Dort hatte der Angreifer Dete das Blut ausgesaugt.
    »Ein Untoter«, stammelte Tinette. »Wie kommt ein Untoter ins Haus?«
    Ein Knurren und Ächzen, sie fuhr herum und hätte beinahe geschrien - Trojan lebte noch! War er bereits ein Vampir? Nein, so viel wusste Tinette, der Vorgang dauerte Tage und war meist erst beim nächsten Vollmond vollendet.
    »Trojan, Trojan!« Flüsternd beugte sie sich über den Röchelnden. »Wer hat dir das angetan?«
    Trojans Kehle war zerbissen, sprechen konnte er nicht. Doch mit ersterbender Hand senkte er seinen Finger ins eigene Blut und malte ein Zeichen. Auf den ersten Blick sah es wie ein Zickzack aus, dann erkannte Tinette, dass es ein M war. M - was bedeutete das? Ein Name? Wessen Name im Haus lautete auf M ?
    Sogleich durchzuckte sie die Antwort: Marus! Der junge Mann, dem alle so zugetan waren, sollte ein Untoter sein? Wenn dem so war, dann ging er in dieser Sekunde im Hause um und machte sich über den Nächsten her.
    Tinette war eine tapfere Person. Sie hatte in ihrem jungen Leben einiges durchgestanden und half ihren Mitmenschen, wo sie konnte. Doch als sie begriff, dass in den Stockwerken über ihr ein Vampir umging, der die Bewohner einen nach dem anderen aussaugte, dachte sie zuallererst an sich. War sie der Gefahr der Straße entronnen, nur um im Haus des reichen Mannes ein grässliches Ende zu finden? Tinette überlegte, welches der rascheste Weg ins Freie war, und entschied sich für den Haupteingang. Sie huschte in die Halle, horchte auf verräterische Geräusche - die Stille von oben
war grauenerregend. So leise sie konnte, schob sie die Riegel zurück, drehte den Schlüssel und zog die Tür einen Spalt breit auf. Stille auch hier, kein Wächter war zu sehen. Sie sprang durch den Vorgarten, erreichte das Türchen, das in das Einfahrtstor eingelassen war. Quietschend bewegte es sich in den Angeln, Tinette spähte auf die Gasse.
    Sie prallte zurück. Da war jemand, nicht groß, nicht fletschend, aber flink. Auch er schien zu erschrecken und versteckte sich in der Nische des Torpfostens.
    »Wer da?« Angespannt verharrte Tinette auf der Schwelle, es gab weder Vor noch Zurück.
    »Ist Heidi da drin?« Das war die Stimme eines Jungen, nicht mehr kindlich, bereits im Stimmbruch.
    »Wer bist du?«
    »Der Geißenpeter.«
    Tinette, die den Jungen kaum verstand, brachte ihn wegen seiner fremden Aussprache gleich mit dem Schweizer Kind in Verbindung. »Kennst du Heidi?«
    »Freilich. Bin mit ihr zusammen auf der Alp gewesen«, antwortete er und trat aus der Nische. Er war wirklich fast noch ein Kind, merkwürdig gekleidet, mit Kniehosen, derben Schuhen und einem Federhut auf dem Kopf.
    »Ich muss fort.« Tinette drängte an ihm vorbei.
    »Bin den ganzen Weg aus den Bergen gekommen, um Heidi zu retten. Sag mir nur, ist sie da drin?«
    »Retten willst du sie, ausgerechnet du?«, flüsterte Tinette.
    »Ja, und ich bring sie zurück!«
    »In die Schweiz? Wie willst du denn …?«
    »Hab ein Pferd und auch einen Wagen.« Er zeigte zur Ecke, wo eine herrschaftliche Kutsche stand.

    Tinette überlegte, ob sie die merkwürdige Begegnung zu ihren Gunsten nutzen konnte. Nachts allein in der Stadt war man seines Lebens ebenso wenig sicher wie im Haus Sesemann. Dass sie einen Freier finden würde, der sie mitnahm, war zu bezweifeln. Mit einem Fuhrwerk aber kam man aus Frankfurt hinaus und würde mit Glück den nächsten Morgen erleben. Danach könnte

Weitere Kostenlose Bücher