Heile Welt
mit Namen, ein«Dichter von einigem Rang…», wie es van Dechterong formulierte, dem ein gütiger Gott die begnadete Feder in die Hand gedrückt habe, kriegte es schnell mit, daß in dieser Gesellschaft aus Gründen der fortgeschrittenen Alkoholisierung nicht viel auszurichten war, und er bat daher um einen Doppelten und sodann um noch einen Doppelten, da man bekanntlich auf einem Bein nicht stehen könne. Da lachten die Lehrer und tranken auch einen Doppelten und noch einen Doppelten: Der Mann ist ja in Ordnung! Das hätte man ja nicht gedacht, daß der Mann in Ordnung ist!
Die Zigarrenschwaden lagerten über der Gesellschaft, die rotglänzend dem bald nur noch lallenden Autor da vorne -«zuhörte»kann man nicht sagen: zudämmerte.
Gegen Mitternacht wurde aufgebrochen, die Lehrer steckten sich sämtliche Streichhölzer und Zahnstocher aus den Ständern und auch die herumliegenden Zuckerstücke in die Tasche.
Beim Hinausgehen in die Dunkelheit -«Licht an!»- hatte der Schriftsteller die Frage zu beantworten, ob man mit dem Schreiben flott Money-money macht? Und ob es da nicht so Freiexemplare gibt, die er verteilen kann? Und ob er alles mit der Hand schreibt?
Dem Kollegen aus Middelum werden noch ein paar freundliche Worte zuteil: Ob man nicht statt des Zwiebelsackes auch eine Blechbüchse nehmen könne, in der man dann die Kerze lustig klötern läßt? Und Rennenfranz wurde gefragt, ob eines seiner Enkelkinder seine beachtliche Malbegabung geerbt habe, und dann fuhren die Herren davon in ihrem«Heizöl-Ferrari», dem Bauernmercedes oder DKW -«drei gleich sechs»- oder auch VW mit Arschbackenfenster oder gar Moped.
Es war zu hoffen, daß der Dorfpolizist Charly nicht Wind von dieser Tagung erhalten hatte, dann würde er sich auf die Lauer gelegt haben, um die Trunkenbolde zu erwischen. Obwohl ebenfalls in der SPD, machte er gern auf Lehrer Jagd. Unliebsame Erinnerungen an die Schulzeit mochten ihn dazu treiben.
In den nächsten Wochen würde allüberall im ganzen Kreis über das Anzünden einer Kerze gehandelt werden, soviel stand fest, wann kriegte man schon mal eine Gratisvorbereitung geboten? Und in zwanzig Jahren, wer konnte das denn wissen?, würde vielleicht in einem ganz anderen Gremium dieselbe Stunde demonstriert.
Lehrer Klein aus Sassenholz stoppte Matthias. Ob er wisse, daß der Pastor was gegen ihn hat? Könne er sich das erklären? Wäre er ihm krumm gekommen? Was könne das sein? Solle er sich mal erkundigen?
Gelegentlich komme er mal rum, in einer anderen Angelegenheit, dann könne man sich in Ruhe darüber unterhalten.
Der Junglehrer Stichnoth klopfte Matthias beim Hinausgehen die Schuppen vom Jackenkragen. Der war mit sich zufrieden.
Van Dechterong würde in einem Jahr pensioniert werden, vielleicht ergäbe sich dann eine Chance, die erste Sprosse auf der Leiter nach oben zu erklimmen…
26
K urz vor den großen Ferien meldete sich Kollege Frohriep bei Matthias – Frühling, ja du bist’s -, die Jahres-Wanderfahrt stehe vor der Tür, ob sie sich nicht zusammenschließen wollten? Bus mieten und nach Hamburg fahren? Er hatte schon alles vorbereitet, Matthias brauchte bloß ja zu sagen.
Dieses Abenteuer würde man hinter sich bringen müssen.
Sollte man die Schülerfahnen mitnehmen? Lieber nicht. Man konnte nicht wissen, wie der Kollege darauf reagierte. Auch den Strohhut zu Hause lassen, der würde als«affig»vermerkt werden. Aber eine Packung Hansaplast einstecken.
Das Wetter war gut. Leider traf Matthias mit seinen stillen, einfachen Kindern – die Kleinen hatte er gottlob zu Hause gelassen – auf einen tobenden Haufen, der im Bus schon die besten Plätze besetzt hielt. Frohriep, der die Ruhe weg hatte, saß auf dem Mikrophonplatz, und Matthias mußte die ganze Fahrt über die Windrose seines schuppigen Haarwirbels betrachten. Immer wieder war er gezwungen, durch die Reihen zu gehen, weil die Kinder von den Plätzen aufsprangen und herumschrien. Mehrmals hielt der Busfahrer an. Er fährt nicht weiter, wenn das nicht aufhört.
Beiß nicht gleich in jeden Apfel er könnte sauer sein…
Daß er das Radio lauter stellte, um den Lärm zu übertönen, war nicht zu ändern. Da machte es sich bezahlt, daß Matthias nach dem Frühstück eine Portion Gelonida geschluckt hatte. Das Ohropax hatte er leider auf dem Tisch liegenlassen.
In Hamburg angekommen, wurden zunächst einmal die Schüler schärfstens vergattert. Immer in Sichtweite bleiben, niemals auf den Fahrdamm treten,
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