Heile Welt
sich alle Kinder mit Salzstangen und Mars eingedeckt hatten, mußte der schwierige Weg zum Hafen gemeistert werden, von Ampel zu Ampel, Sprung auf, marsch-marsch! Frohriep an der Spitze, Matthias am Schluß, die Signalpfeiferin zur Seite, damit er nicht brüllen muß, wenn einer aus der Reihe tanzt. Er brauchte sie nur anzustoßen, dann pfiff sie. Immer auf der Wacht. Frohriep, vorn, übernahm es, unaufmerksame Kinder, also Träumer, lautstark in die Wirklichkeit zurückzurufen.
Vornehme Herren, die gerade aus der Börse kamen, wehrten die Kinder mit der Aktentasche ab, wie mit einem Schutzschild.«Müßt ihr nicht in die Schule? Was lauft ihr hier herum?»Zwischendurch das Interesse der Kinder wachhalten, eben mal alle stehenbleiben.«Ob wir wohl noch Kriegsspuren an den Häusern erkennen können? Kinder? Was meint ihr?»»Ja, allerhand Gesprenkeltes war auszumachen, und die Nikolaikirche noch immer ganz in dutt. Übrigens waren an den Fenstern auch noch die rostigen Halterungen zu erkennen, in denen ohne Zweifel Hakenkreuzfahnen gesteckt hatten.
Nun weiter im Text. Eben noch mal durchzählen, dann weiter, erst mal noch mal halt! So, nun weiter…
Die Michaeliskirche war Gott sei Dank geöffnet. Einmal drinnen rum und einmal draußen rum um das Wahrzeichen von Hamburg.«Kinder, dies ist das Wahrzeichen von Hamburg!»Wenn die Seeleute aus Ostindien kommen und den Michel sehen, dann geht ihnen das ganz schön an die Wäsche.
«Und seht mal da drüben: Das ist das Hafenkrankenhaus! Da liegen die Leute mit den Schlangenbissen!»Daß es auch äußerst giftige Käfer gibt, wurde gesagt, und Elephantiasis, da haben dann die Leute so dicke Beine.«… und Vogelspinnen.»Irgendwie eingeschleppt mit Bananenstauden, von der Schulfunksendung«Hür mal’n beten tau!»noch in Erinnerung, große, kluge Augen, die sie auf ihr Opfer heften. Auch eingeschleppt wie die Wollhandkrabbe, und zwar aus Madagaskar, und seitdem gibt’s kaum noch Fische in der Elbe. Man darf der Natur eben nicht auf der Nase herumtanzen.
Schnell an der Reeperbahn vorbei, die Aufmerksamkeit auf den steinernen Bismarck lenken – die Augen links! -, damit sie nichts mitkriegen von den Stätten des Lasters und der Sünde.«Der ist von Lederer! Der hat Deutschland geeint! »
Ein Geschäft für Tropenkleidung und Schiffsbedarf. Tropenhelme im Schaufenster und Matrosenmützen. Blanke Schiffsglocken mit Lederschlaufe am Klöppel.
Wo hängt der größte Bilderbogen?
Beim Kaufmann, Kinder, ungelogen…
Bei einem Trödler wäre Matthias gern stehengeblieben, da lagen Orden und WHW-Abzeichen im Fenster, Tanzmasken hingen an der Wand, und auf einem runden Tisch sternförmig angeordnet: alte Pistolen, doch Frohriep drängte weiter, der Zeitplan mußte eingehalten werden, die Fütterung der Seelöwen wurde sonst verpaßt, bei Hagenbeck, und schließlich wollte auch noch die Hafenrundfahrt hinter sich gebracht werden.
Ein Polizist kam des Weges.
«Kinder, das ist ein Hamburger Hafenpolizist!»
Der Beamte wurde angehalten, ob die Kinder ihm mal ein paar Fragen stellen dürfen über Schmuggler und blinde Passagiere? Nein, das durften sie nicht. Der Mann ging wortlos durch sie hindurch, na ja, der beschattete vielleicht gerade jemanden?
Am Hafen kam ihnen ein Mann mit Ohrring entgegen, der hatte eine tätowierte Schlange auf der Brust. Alle Kinder blieben stehen und sahen ihm nach. Daß er eine Flasche in der Hand trug und daraus einen tiefen Zug nahm, machte keinen besonderen Eindruck, das kannten die Kinder von ihren Vätern.
«O Kinder, seht mal! Was ist das da wohl?»fragte Frohriep. -Da antworteten die Kinder:«Ein UNIMOG!»
Aber nein, Frohriep hatte die Elbe gemeint, die da vor ihnen lag, silbern im Gegenlicht.
Ein Junge namens Grootje erwachte beim Anblick der Schiffe, die hier vorüberglitten, sein Onkel fahre zur See, sagte er, und er war damit ausgezeichnet vor allen. Er gehörte in Frohrieps Klasse, was bedeutsam war. Er weiß auch nicht, woher das kommt, sagte Frohriep, er hat besonders primare Kinder.
Der Großvater eines Mädchens war im Krieg mit einem U-Boot untergegangen, aber das wußte das Mädchen gar nicht. Das war in Vergessenheit geraten.
Eben den Elbtunnel angucken? Von Kaiser Wilhelm eingeweiht? Nein, das lassen wir lieber, da ist eigentlich nichts Besonderes zu sehen, zwei lange Röhren, die in der Ferne immer kleiner werden.
Die Blechuhr an der Anlegestelle der Hafenrundfahrt zeigte an, daß man noch eine halbe Stunde
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