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Heile Welt

Heile Welt

Titel: Heile Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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male. Vielleicht ließe sich ein solcher Fisch ja auch aus Blech formen, einen in den andern stecken, und wenn man’s schüttelt, scheppert es?

    Und dann kehrte er zu seinem Tee zurück, der schon kalt geworden war, von Ellinor empfangen, die das Blatt nun mit andern Augen verwundert betrachtete und auch etwas anerkennend auf Matthias ruhen ließ.

    Matthias verschwieg dem Fachmann aus Karlsruhe, daß das Bild nicht von einem Jungen, sondern von einem Mädchen gemalt worden war, und zwar im Rahmen eines Zeichendiktats des Werkhausbundverlages Teil 3, römisch II, Blatt fünf.
    Die Katze schien etwas zu spüren von dem Wind, der sich hier gedreht hatte, sie sprang zu ihm auf den Stuhl und schnurrte. Solche Tiere merken es, wenn man Kummer hat, dachte Matthias, und fuhr ihr mit dem Finger unter dem roten Halsband entlang.

    «Das ist ein gutes Zeichen!»sagte Säckel.«Wenn Tiere sich zu einem Menschen gesellen, freiwillig, dann ist das ein gutes Zeichen. »Er nickte Matthias aufmunternd zu. Er habe in seinem Atelier zeitweilig eine Ratte gehabt, ein kluges und schönes Tier. Die habe er dann freilich abschaffen müssen, nachdem sie die Arbeiten der Volkshochschüler benagt hatte.

    Ellinor sagte, daß die Katze gerade eine Wurmkur hinter sich hat, Dinger so groß wie Engerlinge, aber ganz platt. Und dann kam sie auf ihren Kummer zu sprechen: Neben dem Kamin, über dem sich die in die Länge gezogenen Jünglinge und Mädchen reckten und durch ihr Aufrecken die Flammen der brennenden Holzscheite ins Fleischliche überführten, regne es durch! Sie habe keine Ahnung, was sie da machen soll! Das Freskentriptychon werde wahrscheinlich ein für allemal zerstört…
    Na, das sei doch ganz einfach, sagte Säckel: einen Dachdecker bestellen! – Wenn er selbst zum Beispiel Zahnschmerzen hat, dann geht er zum Arzt, und zwar sofort! Und er sah Matthias an, ob der auch immer gleich zum Arzt geht, wenn er Zahnschmerzen hat. – Er nahm das Telefonbuch, das auf dem Fensterbrett lag, und schlug nach, ob ein Dachdecker in der Nähe ist.
    Der Dachdecker, sagte Ellinor, koste gewiß ein Vermögen. Soviel sie sähe, müsse das ganze Dach neu gedeckt werden… Die Handwerker nähmen es doch von den Lebendigen und den Toten…«Wenn sie überhaupt kommen!»

    Säckel stand auf und begutachtete die Fresken, und er fand sie noch unbeschädigt. Das Wasser tröpfle mehr seitlich die Wand herunter, wie man sehe, übrigens ganz reizvoll, er denke sich eine Zinkrinne, in der man das Regenwasser an den Fresken vorbeileite, willentlich, aber nicht symmetrisch von der Mitte aus gesehen, sondern so, wie das Wasser eben kommt, mal weiter links, mal weiter rechts, und dann wie in Ofenrohren durch den ganzen Raum bis nach draußen leiten oder geleiten, wie man es auch ausdrücken könne… Vielleicht kleine unterschlägige Wasserräder einbauen, die sich bei starkem Fluß drehen? Und er nahm ein Stück Papier und machte eine Zeichnung, wie er sich das denkt mit dem unterschlägigen Wasserrad, erbat auch einen Zollstock und schrieb die Maße auf das Papier.

    Er denke übrigens: Vielleicht sollte man mal auf den Dachboden steigen und nachsehen, vielleicht ließe sich der Schaden ja durch einen einfachen Handgriff beseitigen?
    Die drei setzten sich in Bewegung, stiegen die Treppe hinauf, von Ellinor nachdrücklich zum Schweigen verdonnert, wegen der Tante, die sonst unweigerlich erscheine, und dann müßten sie ihr das alles erklären! O Gott!, das hätte ihr gerade noch gefehlt!
    Auf dem Dachboden, das sah man dann, hatte schon jemand Wannen und Eimer verteilt, vielleicht war es die Tante gewesen? Das sah ganz lustig aus, mal links, mal rechts, mal in Gruppen standen die Gefäße, so wie die unerbittliche Natur es forderte, und Säckel schlug denn auch sogleich vor, die Eimer und Wannen allesamt weiß zu streichen, dann zu fotografieren und in Karlsruhe Xaver Anfas zu zeigen. Leider habe sich der Kontakt zu dem Mann gelockert, irgend jemand müsse dem was hinterbracht haben, etwas leicht Dahingesagtes. Gott sei Dank habe er noch seinen Volkshochschulkurs, wenn er den nicht hätte, sehe es trübe aus, denn Bilder, wie er sie male, kaufe natürlich kein Mensch!

    Unter einer Dachschräge, zu der die Natur noch nicht vorgedrungen war, standen Kisten und Schachteln mit Bildern und Manuskripten, seit Kriegsende nicht berührt, und große weiße Pappen mit Entwürfen für Fresken, sogenannten«Kartons», das waren die Muster für die Ausmalung des Chores der

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