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Heile Welt

Heile Welt

Titel: Heile Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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die Geschichte von dem Kollegen, der eine Stunde über Dürer hielt und dazu Gemälde von Rembrandt zeigte. Wenn sich einer zur Prüfung meldete mit Sport, Musik und Zeichnen, dann wußten die Prüfer gleich, wo’s langging. Das wurde dann auch bald untersagt,«richtiger»Unterricht sollte schon dabei sein.

    Zuerst sämtliche Lehrer durchhecheln, dann Autogespräche. Außer Färsel war lediglich eine Gruppe Segler motorisiert. Diese Leute brauchten Autos, um ihre Kähne zu transportieren. Wohnwagen hatten sie noch außerdem, für die Familie. Die Frauen wurden mit den Kindern im Wohnwagen an Land zurückgelassen – Frauen an Bord, das bringt Unglück. Die wuschen auf dem Campingplatz die Wäsche und steckten die Köpfe zusammen. Die Kinder der Seglerkameradschaft würden noch in zwanzig Jahren von den wunderbaren Ferien sprechen, die sie auf den Campingplätzen von ganz Norddeutschland gemacht hatten.

    Die andern Kollegen dieser Runde waren noch nicht motorisiert, wenn man von Mopeds absieht, und von Stichnoth, der jedoch, wie schon gesagt, zum Ferienfest nicht geladen wurde, aber ein jeder strebte nach einem fahrbaren Untersatz.
    Der Scheiß-Ford mit seinen drei Gängen kam nicht in Frage; Ford und Opel seien Vertreterwagen. Der Ford-Taunus – so sonderbare Scheinwerfer? Und Goliaths sähen nach Gebrauchtwagen aus. Und von VW wurde gesagt, daß er zuerst die Augenbrauen hochgezogen habe, dann eine geschwollene Oberlippe gekriegt. Der«Standard»laufe ja jetzt aus, eigentlich schade, ein robustes Arbeitstier: Der Kuharschastronom in Westereistedt habe zum VW-Händler gesagt: Den letzten Standard krieg’ ich. – VW sei das rechte Einstiegsauto. Zwischengas, gar nicht so kompliziert, wie man denkt. Davon nicht abschrecken lassen.

    Im Grunde hatte sich Färsel mit seinem Mercedes das richtige Gefährt angeschafft, das wurde allgemein anerkannt, aber ein bißchen über dem Stande! Als Volksschullehrer Mercedes fahren? Wenn auch gebraucht? Wo selbst der Schulrat noch immer VW fuhr? Außerdem klapperte es hinten links, ohne daß es bisher gelungen wäre, das abzustellen.
    Wenn die Bauern Mercedes fuhren, dann hatte das einen ganz anderen Grund, die tankten zollfreies Heizöl:«Heizöl-Ferraris»wurden die ja auch genannt.

    Das Auto, die Eremitenklause des Denkers… Wenn man sich mal ungestört unterhalten will, setzt man sich ins Auto und fährt mit Tempo siebzig über die Landstraßen dahin. Auch gegen schlechte Laune helfe das Autofahren. – Vor der Ortseinfahrt das Gas wegnehmen, das sei unsportlich. In Kurven leicht beschleunigen. Große Diskussion, ob man den Fahrtrichtungsweiser auch zum Signalgeben benutzen darf: dem Hintermann anzeigen, daß überholt werden kann, zum Beispiel? Nein, ein Fahrtrichtungsweiser ist ein Fahrtrichtungsweiser, sonst nichts. An irgend etwas muß der Mensch sich schließlich halten.
    Was soll man tun, wenn jemand ganz schnell ins Krankenhaus fahren soll, und keiner läßt einen überholen? Der verblutet da auf den Polstern, und niemand macht Platz? – Taschentuch an einen Stock binden und damit aus dem Fenster winken…. Aber das kennen die dann nicht, und fahren extra nicht rechts ran.

    Färsel berichtete davon, daß die Dänen noch ganz alte Autos haben: Exemplare von 1936! Richtige Klapperkisten, da gingen die Türen noch nach vorne auf und mit Winker! Ganzen Krieg über in der Scheune gestanden. Vorsintflutlich, wie das ganze Land, aber urgemütlich. Nette Leute, aber manchmal mit Vorsicht zu genießen. Deshalb fuhren die Färsels ja jetzt auch nach Norwegen, das geschehe den Dänen ganz recht!

    Es wurde wieder und wieder fotografiert, der gefräßige Heinerich mit zwei Wurststullen, in jeder Hand eine, und Klaussi, der im Liegestuhl lag, eine Katze wie eine Gitarre auf dem Schoß. Teig wurde nach Pfadfinderart um Stöcke gewickelt und über das Feuer gehalten, und schließlich holten die Segler ein Schifferklavier, und dann wurde gesungen.
    Wenn das Schifferklavier an Bord ertönt,
dann sind die Matrosen so still,
weil ein jeder nach seiner Heimat sich sehnt,
die er gern einmal wiedersehen will…
    Matthias hatte ungute Erinnerungen an dieses Lied, an ein Zeltlager und an angebrannte Erbsensuppe. Die andern mochten auch an ein Zeltlager denken, aber für die war das ein angenehmes Erinnern, morgens mit freiem Oberkörper unter der Pumpe waschen, das war herrlich gewesen, und nachts den andern das Zelt einreißen!

    Der Amerikafahrer, Kollege Rheinfahrt, dachte bei diesem

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