Heile Welt
Holländern mitgegeben… Der Eckschrank allerdings ja ganz hübsch… Aber sonst nix weiter? Nicht mal ein Sessel oder ein Sofa? Das mußte geändert werden, darin war sich die Familie Fitschen einig. Die Bauersfrau wurde gesprächig, und der Mann nickte: Sie hatten eine Tante Hulda, die gerade gestorben war, in Ostereistedt, da stand doch noch das ganze Wohnzimmer. War nicht sogar der Trödler schon bestellt?
«Das wird was Rechtes sein», dachte Matthias, womöglich ein riesiges Schlafzimmer und ein Wohnzimmer mit Vertiko und vielleicht eine«Flurgarderobe», mit Spiegel, verrosteten Kleiderhaken, Handschuhfach – alles in einem…
Aber am nächsten Tag fuhr er dann doch nach Ostereistedt, zusammen mit dem Bauern, der Frau und Anita (deren Mitgift sich würde sehen lassen können). – Es stellte sich heraus, daß das Wohnzimmer von Tante Hulda, die ihren Mann im sechsundvierzigsten Jahre seines Alters vor Witebsk verloren hatte, 1910 in Bremen gekauft worden war, eine äußerst zierliche Stadtsache in Rüster, eine grün bezogene Bank mit Spiegel oben drüber und Umbau links und rechts: kleinen, mit spektralfarbenem Kristallschliff verglasten Schränkchen, einer Standuhr, einem ovalrunden Tisch und Bücherschrank, alles mit farbigen Intarsien verziert, drei Sesselchen, alle dunkelgrün bezogen mit hellgrünen Blümchen drauf. Auch ein Teppich war vorhanden, passend zu den Möbeln, er lag zusammengerollt auf dem Flur.
Weil Anita sah, daß Matthias sich für die Sachen zu begeistern begann, zeigte sie auf einmal Lust, die Sachen selbst zu behalten, aber von den Eltern wurde sie gefragt, was sie mit dem Mist will? Den ollen Plünnenkram? Und mit Blick auf Matthias:«Sie kriegt ja alles neu… »
«Wenigstens das Glasschapp….», sagte Anita und öffnete die Türen der Vitrine links und rechts.
Schon am nächsten Tag holte Bauer Fitschen die Sachen mit dem Trecker, und es stellte sich heraus, daß die Möbel in das Wohnzimmer paßten, als hätten sie schon immer dort gestanden. Daß Anita alles feucht abwischte, wurde sofort verhindert.
Dann fragte es sich, was die ganze Chose kostet. Am Ende, nach langem Hin und Her, wobei verkehrt rum gehandelt wurde, also der Bauer immer weniger haben wollte und Matthias nach und nach immer mehr bot, bezahlte er hundertfünfzig Mark. – Matthias stellte den Tisch mal hierhin und mal dorthin, die Bank mit dem Kristallschliffumbau an die Wand, die Standuhr in die Ecke. Wie hatte er es hier bloß ausgehalten, so ohne alles. Nun noch Bilder an die Wand. Und Gardinen vor die Fenster.
Bald darauf mußten die Sachen wieder ausgeräumt werden, denn Malermeister Henning rückte an, mit zwei Gesellen und einem Lehrling, die machten alles neu und schön. Die Fußböden wurden abgezogen und frisch gemalt, und die Wände tapeziert mit Tapeten, die der Bürgermeister ausgesucht hatte – es hätte schlimmer kommen können. Im Badezimmer wurde ein tadelloser Umlauferhitzer montiert, bei dem dann allerdings sämtliche Sicherungen durchknallten, wenn man nur eine einzige Lampe zusätzlich anknipste. Alles wunderbar: Die Küche erhielt sogar einen Ölsockel, einen sogenannten«Paneel», wegen der Spritzer beim Kartoffelpufferbacken, sonst kann man ja in vierzehn Tagen alles wieder neu streichen. Die Malermannschaft packte mit an, als es galt, die wiederhergestellte Truhe von Jgf. Lucie zum Schrank in die Veranda zu schaffen. Und da sie nun grade mal so schön beim Malen waren, tauchten sie ihren Pinsel in schwarze Farbe und wollten das Altertum gleich überstreichen. Das konnte in letzter Minute verhindert werden.
Danach wurde der Keller leergepumpt und abgedichtet, und auch die Dachkammer wurde renoviert. Platten unter die Dachpfannen genagelt. Nun war der Sperling für immer ausgesperrt, kein freier Zugang mehr für ihn zum Frühstückstisch, morgens, wenn der Spitz sich einstellte, oder zwischendurch mal eben Guten Tag! sagen. Im Garten oder auf dem Hof hielt Matthias Ausschau nach dem kleinen Vogel, aber der gab sich nicht zu erkennen.
Auch die Fenster wurden abgedichtet. Alles sah da oben sehr verändert aus, ein bißchen wie im Krankenhaus – aber Matthias blieb trotzdem dort wohnen, er zog nicht nach unten. Da oben konnte er seine Zugbrücke einziehen.
Auch an der Abseite hatten sich die Handwerker zu schaffen gemacht. Die Unordnung dort hatten sie moniert, das war ja ein regulärer Dreckstall! Schulhefte einer ganzen Generation, kreuz und quer und durcheinander und mit
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