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Heile Welt

Heile Welt

Titel: Heile Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Umdie-Ecke-Wetzen aus! Das tat seiner Würde Abbruch, danach wurde er noch unausstehlicher.

    Matthias genierte sich keineswegs, daß Hinrich seine Erdbeeren mit Pferdemist düngte, während er da so saß und in die Gegend guckte. Vielleicht hing der Junge ja seinen Bauernberuf an den Nagel eines Tages und würde auch Lehrer werden. Dann könnte er auch in der Laube sitzen und lesen.
    Nach der Arbeit rief er Hinni zu sich an den Tisch, von der Raucheraffäre und der anschließenden »Abstrafung»war nicht die Rede. Das war schon in Ordnung so. Matthias hatte nicht stark zugeschlagen, nur eben so stark, wie es erwartet wurde, auf daß das Gesetz erfüllet ward.
    Der Junge war immer etwas bedrückt, aber das war er wohl aus anderen Gründen, das hatte wahrscheinlich mit seinem norddeutschen Temperament zu tun.

    Meistens setzte sich noch Marianne dazu, mit Schürze um und einem kleinen Bruder an der Hand. Morgens in der Schule sagte sie keinen Ton, aber hier plapperte sie ohne Unterlaß, hier kommentierte sie ungefragt ihr Leben und das des Lehrers. Gab auch Lebensweisheiten von sich, die gar nicht ohne waren.
    Ob unter ihren Brüdern auch Zwillinge wären?, fragte Matthias.«Der Lothar sieht verdammt aus wie’n Zwilling», sagte sie da. Man konnte sie gut anstellen:«Hol mir doch eben mal die Sonnenbrille aus der Kammer… », das tat sie ohne weiteres, sie wußte, wo die lag, sie wußte, wo alles lag. In der großen Pause brühte sie ihm auch schon mal eine Tasse Kaffee auf. – Auch Marianne hatte ein«Pösi»-Album, das war ein kleines zerknülltes Oktavheft.«Laß das mal hier», sagte Matthias,«ich schreib’ dir später was rein.»
    Einmal kamen holländische Soldaten in seinen Garten gesprungen, mit abgerissenen Zweigen am Stahlhelm. Sie bauten ein Maschinengewehr auf, schmissen sich hinter die Hecke und schossen mit Platzpatronen. Matthias brachte ihnen Kaffee, aber daß er sich neben sie hinter die Hecke hockte und auch zum Feind hinüberspähte, war ihnen nicht recht.
    Ob hier in der Nähe Mädchen wohnten, wollten die Soldaten wissen, duckten sich vor den Tieffliegern, die jetzt angebraust kamen. Nach einer Weile erschien ein Offizier und erklärte sie für tot. Für sie war der Krieg zu Ende. Schade, daß man im Manöver nicht ein bißchen plündern kann… Hühner aufs Bajonett spießen und Mädchen ins Heu zerren? – Sie packten ein und ließen ungenießbare Leberwurst in Büchsen zurück.
    Richtiger Krieg hatte hier auch schon stattgefunden: Zuletzt hatte hier SS gelegen, hinter der Hecke, mit Panzerfäusten. Das war noch gar nicht so lang her.

    Einmal näherte sich ein Herr mit Aktentasche. Kam ums Haus herum und klopfte an die Gartenpforte. Das war der Leiter der Raiffeisenkasse in Sassenholz.«Schönen Hut haben Sie auf!»sagte er und setzte sich ungebeten neben Matthias auf die Bank. Er schlug ihm vor, ein Konto bei der Raiffeisenbank zu eröffnen.
    Einer für alle – alle für einen!
    Ein Konto bei dieser Kasse zu haben brächte manchen Vorteil! Das Hühnerfutter kriege er zum Beispiel billiger. Oder mal einen Sack Kopfdünger. Das Konto könne er ohne weiteres überziehen, bis zu zwei Monatsgehälter, da sage keiner was. Die andern Lehrer überzögen ja auch gern. Man brauche es ja nicht gleich so weit zu treiben wie der Lehrer in Krangersen, der habe sich schließlich aufgehängt, weil er nicht mehr aus noch ein wußte. Aber der sei ja auch irgendwie erpreßt worden, wegen einer Schulmädchensache, das wär’ ein ganz anderer Fall. Und dann aus schierer Angst alkoholsüchtig, was bekanntlich ins Geld geht. Im Keller habe man Hunderte von Schnapsflaschen gefunden. Sie hätten vier Wochen gebraucht, um Ordnung in die Papiere zu bringen. Und die Ehefrau aus allen Wolken gefallen.
    Wenn er mal Geld nötig hat, dann steht ihm die Kasse zur Seite – Fräulein von Kallroy zum Beispiel, das ganze Dach müßte erneuert werden, und kein Pfennig auf dem Konto? Die sei neulich bei ihm gewesen. Das Haus voll Bilder, aber keinen Pfennig auf der Bank. Der habe er einen zweckgebundenen Kredit anbieten können, den sie allerdings nicht angenommen habe.

    Von Schmauch könnte er ihm auch lustige Sachen erzählen. Der hatte ja Aktien gehabt! Kein Mensch hatte das geahnt! Heimlich, still und leise. Und ein Tag nach der Pensionierung in den Süden abgedampft.

    Weil der Kassenmensch das alles so leichthin ausplauderte, wollte Matthias schon auf dessen Dienste verzichten, er unterschrieb dann aber doch, wer

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