Heile Welt
reinfällt… Aber weil er hier eingeladen war zu einer Autopartie und überdies sein Portemonnaie vergessen hatte, mußte er sich von ihnen trennen. Er gab sie also hin, und dann wurde er auch tatsächlich zum Kaffee eingeladen.
Es kamen zwei junge braungebrannte Jünglinge herbei, offensichtlich bestellt, in karierten Freizeithemden, oben quer zu schließen. Sie blieben ziemlich ewig sitzen, und Matthias -«Ach, Sie sind Volksschullehrer?»- verstand absolut nicht, worum es ging bei dem Gespräch. Von Angelegenheiten war die Rede. Das Wort«Vernissage»fiel, und Matthias nahm sich vor, bei nächster Gelegenheit einmal allein nach Angendorf zu fahren.
Die Jünglinge wurden dann noch ganz nett. Sie erzählten von ihrem Lehrer, einem aus der Frontgeneration, nicht gerade Stalingrad, aber nur einen Arm. Zack! Aufstehen natürlich und welche runtergehauen, aber sonst durch und durch okay. Der sei mit ihnen in den Wald gegangen, Pfeil-und Bogenschießen und Höhlen bauen, zwei Parteien, mit roten Lebenswollfäden am Arm, wenn die abgerissen waren, war man tot… Überhaupt, Sport in jeder Form, nicht dies öde Ballspielen, der habe sich die Jungen angesehen und planmäßig an ihnen gefördert, was zu fördern war, der eine mußte laufen, der andere werfen – je nachdem. Der hatte die Körper modelliert. Kugelstoßen im Gymnasium!
Er hätte sich so sehnlichst eine weiße Turnhose gewünscht, sagte der eine, aber bei den Eltern doch nicht…
Umarmungen beim Abschied – Matthias natürlich nicht. Ellinor holte etwas in Papier Gewickeltes aus dem Auto und übergab es den Jungen,«schön vorsichtig sein», es wurde allerhand geflüstert, und: ja, sie wollten vorsichtig sein, okay.
An verschiedensten Künstlerateliers fuhren sie vorüber, im Garten einer Gestaltungsschule saßen junge Weberinnen, die machten gerade Pause und alberten da rum.
Von Rilke wurde gesprochen, von Kallroy hatte ihn anscheinend noch gekannt, mal Tee getrunken mit dem vor dessen Rußlandreise. Es schien so, als wäre Ellinor mit dem Dichter irgendwie verwandt, so benahm sie sich jedenfalls. Daß Matthias den«Panther»auswendig wußte, war nicht weiter von Interesse, den konnte Ellinor auch. Wer konnte den nicht auswendig hersagen!
Danach wollte ihm Ellinor einen Kunstmaler vorstellen, der in seinem Garten eine kleine Dampfeisenbahn installiert hatte. Der wär’ als Künstler grad’ im Kommen, noch könnte man Blätter von ihm einigermaßen preiswert kaufen… Leider war der Mann nicht da, und die Eisenbahn ließ sich zwischen den Zaunlatten hindurch auch nicht erspähen. Schade, es wär’ doch wunderschön gewesen, das Dings hier durchs Gebüsch rattern zu sehen. Da war nun einmal nichts zu machen.
In einem kleinen Antiquitätengeschäft sagte Ellinor noch kurz guten Tag! Der Händler hatte alte Zinnsoldaten, Reiter mit Fähnchen, vollplastisch, das Stück zu einer Mark fünfzig.
«Wieviel kosten die?»fragte Matthias, der als Kind auch solche Figuren gehabt hatte.
«Eine Mark und fünfzig!!»schrie der Mann.
«Alle zusammen?»fragte er, und deshalb sagte der Mann denn auch:«Schön, daß Sie schon gehen.»Aber sie gingen nicht, denn Ellinor hatte hier noch etwas zu erledigen, weshalb Matthias diskret auf die Straße zu gehen hatte, ins Schaufenster gucken: In einer Ecke lag eine Kegelkugel, die sollte fünfzig Mark kosten!
Auf der Rückfahrt erfuhr Matthias, daß der Mann eine krebskranke Frau habe, deshalb sei er so unwirsch, das müßt man auch verstehen, und tagaus, tagein Touristen! Daß die beiden Jünglinge erheblich schwul seien, sagte Ellinor, nette Jungens, für die sie eine ältere Schwester sei. Und was den Antiquitätenhändler angehe, der habe ihr schon viel geholfen, ein Mensch, auf den man sich verlassen kann.
Auf dem Nachhauseweg wurde noch bei einem Trödler haltgemacht: eine Scheune mit Gerümpel. Der Mann saß vor dem Tor. Er trug eine Melone und rauchte Zigarre. Ellinor kramte aus dem Kofferraum eine alte Handtasche heraus, für die erhielt sie zwanzig Mark.«Schlangenleder ist das», sagte sie. – Der Trödler antwortete:«Ich weiß.»Er holte aus der Jackentasche ein Lorgnon und musterte sie. Daß Ellinor knapp bei Kasse war, wußte er, sie kam öfter mal vorbei.
In Klein-Wense wurde Matthias vor der Tür des Kallroy-Hauses verabschiedet. Wir müssen bald mal wieder Karten spielen, sagte Ellinor, und dann war Matthias gezwungen, zu Fuß nach Hause zu gehen. Er machte einen Umweg, es war nicht gerade
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