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Heilige Scheiße - Bonner, S: Heilige Scheiße: Wären wir ohne Religion wirklich besser dran?

Heilige Scheiße - Bonner, S: Heilige Scheiße: Wären wir ohne Religion wirklich besser dran?

Titel: Heilige Scheiße - Bonner, S: Heilige Scheiße: Wären wir ohne Religion wirklich besser dran? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan;Weiss Bonner
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Militär- und Anstaltsseelsorge, Religionsunterricht oder Denkmalpflege und Baulasten der Kirchen von Steuergeldern bezahlt – unabhängig vom Kirchensteueraufkommen. Darüber hinaus zahlen die deutschen Bundesländer Staatsleistungen an die Kirche, die laut beiden Kirchen Entschädigungen für eine Enteignung kirchlicher Güter Anfang des 19. Jahrhunderts seien: Die Humanistische Union errechnete jüngst, dass seit Ende des Zweiten Weltkriegs 14 Milliarden Euro deswegen an die Kirche geflossen sind. Dass dies weitgehend nicht in Frage gestellt wird, ist laut Frerk ein »Erfolg des kirchlichen Lobbyismus« und »der Fantasie der Staatskirchenrechtler«, denn »dass die Bischöfe enteignet worden sein sollen, ist bereits eine Legende. Die betreffenden Gebiete gehörten der katholischen Kirche gar nicht, sondern es handelte sich weitestgehend um Reichslehen. Insofern kann auch von keiner Entschädigung – wofür auch? – die Rede sein«.
    Trotzdem zahlt der Staat Unsummen für den Unterhalt und die ständige Sanierung von Kathedralen und anderen kirchlichen Gebäuden. Er übernimmt die Personalkosten für Religionslehrer ebenso wie die Rechnung für den Messwein bei Soldatengottesdiensten und die Rente vom zurückgetretenen Bischof Mixa. Von den jährlichen rund fünfundvierzig Milliarden Euro, die für die Kosten der Caritas und Diakonie aufgewendet werden, wird das meiste in Wahrheit aus öffentlichen Geldern von Krankenkassen, Pflege- und Sozialversicherung sowie vom Staat bezahlt, die beiden Kirchen hingegen tragen nur einen Bruchteil. Ähnlich läuft es mit Misereor und anderen bekannten Hilfswerken.
    Caritas und Diakonie sind die beiden größten deutschen Arbeitgeber und dürfen darauf bestehen, dass nur Katholiken und Protestanten bei ihnen arbeiten – und dass, obwohl ihre Einrichtungen zu großen Teilen öffentlich finanziert sind. Vor allem Arbeitnehmer im sozialen Bereich – Ärzte, Pfleger, Krankenschwestern sowie Kindergartenpersonal – bleiben oft nur in der Kirche, um ihren Arbeitsplatz zu erhalten.
    »Ich wäre schon längst ausgetreten«, sagt Svenja G., die als Krankenschwester in der Nähe von Hamburg bei einem mobilen Pflegedienst arbeitet. »Aber man hat mir angedroht, dass das die sofortige Entlassung zur Folge hätte.«
    Dass Angestellte der kirchlichen Einrichtungen oft schlecht bezahlt werden, ist überdies schon lange kein Geheimnis mehr. In Honnef gingen Ende 2007 Caritas-Mitarbeiter auf die Straße und demonstrierten mit Transparenten wie »Caritas – Sparschwein der Nation« für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen, und die Diakonie geriet Anfang 2011 wegen Lohndumping durch Zeitarbeit in die Kritik – wie zuvor die Drogeriemarktkette Schlecker.
    »Es ist ein Mythos, dass die Kirchensteuer primär für mildtätige Zwecke eingesetzt wird«, so René Hartmann, Vorsitzender des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten (ibka) . »Weniger als zehn Prozent der Kirchensteuer werden für öffentliche soziale Zwecke aufgewendet.« Carsten Frerk ist deshalb der Ansicht, es gehöre zur »Caritas-Legende«, dass das deutsche Sozial- und Gesundheitssystem zusammenbrechen würde, wenn die Kirchen auf die Einkünfte aus den Kirchensteuern verzichten müssten. Dass ein Staat überhaupt Steuerleistungen für die Kirche eintreibt, ist weltweit ein finanzverfassungsrechtliches Unikum, eine solche Regelung gibt es überhaupt nur im Zusammenhang mit dem Christentum. In Italien und Spanien kann der Steuerzahler zumindest angeben, welcher Religionsgemeinschaft er seine Kirchen- und Kultursteuer spenden möchte – oder ob dieser Teil der Steuer lieber einem sozialen oder anderen gemeinnützigen Zweck oder dem Staat zugutekommen soll.
    »Eine Religion, wie immer sie auch beschaffen sein möge, wird sich vor der Lächerlichkeit immer durch »gute Werke« retten.«
    Henry de Montherlant
    Es gäbe also andere Möglichkeiten, und man müsste sich keine Sorgen um Kindergärten, Krankenhäuser und die Altenpflege machen, wenn die Kirche von heute auf morgen vom Erdboden verschluckt würde. Das einzige Problem wäre wohl die Frage, was man dann mit den ganzen leer stehenden Gotteshäusern und frei werdenden Geldern anfangen sollte. Eines allerdings bleibt: Mitglieder des Klerus allerorten sind sich einig, dass die Kirche Fragen beantworte, die zur menschlichen Existenz dazugehören. Dies klingt verlockend in Zeiten, in denen die Fragen des Lebens komplexer geworden sind und

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