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Heilige Scheiße - Bonner, S: Heilige Scheiße: Wären wir ohne Religion wirklich besser dran?

Heilige Scheiße - Bonner, S: Heilige Scheiße: Wären wir ohne Religion wirklich besser dran?

Titel: Heilige Scheiße - Bonner, S: Heilige Scheiße: Wären wir ohne Religion wirklich besser dran? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan;Weiss Bonner
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Für viele hätte es wenig Sinn. Zu den bei weitem merkwürdigsten Auswüchsen der christlichen Musikszene gehört allerdings eine Band aus Hamburg, die sich die Jesus Skins nennen. Ihre Songtitel sprechen Klartext im Namen des Herrn: »Für immer Christ«, »Oi! Oi! Amen!« und »Unser Kreuz braucht keine Haken«. Die Jesus Skins bestehen – angeblich seitdem Judas aus der Band flog, weil er Geld geklaut und es versoffen hatte – nur noch aus Markus, Mathäus, Lukas und Johannes. Aber auch ohne Judas macht das Vokalapostelquartett noch so viel Krach, dass man befürchten muss, der Heiland würde schon allein davon wieder auferstehen. »Thor war ein Verbrecher, und Odin war ein Tor, und wer an so ’ne Scheiße glaubt, den knöpfen wir uns vor. Denn wir sind Skins und Christen, preisen Gott den Herrn, prügeln Heiden windelweich, und so was tun wir gern«, singen sie – und lassen damit wenig Zweifel daran, was sie mit Glaubensfeinden anstellen würden.
    »Die Kirche sagt, du sollst deinen Nachbarn lieben. Ich bin überzeugt, dass sie meinen Nachbarn nicht kennt.«
    Sir Peter Ustinov
    Würde es also vielleicht helfen, die Kirche einer Rundumerneuerung zu unterziehen und ihre Rituale mit Pop aufzupeppen, um sie für solche potenziellen Mitglieder fit zu machen? Die Glaubensvertreter versuchen es erst mal mit Make-up. Da wird der Papst vom Stellvertreter Gottes zum Medienstar, wenn er im April 2007 auf dem Cover des Gesellschaftsmagazins Vanity Fair mit der Schlagzeile »Ein Popstar wird 80« erscheint oder wenn das Männermagazin Esquire ihn wenig später seiner roten Schuhe wegen gar zum »Accessorizer of the Year« wählt, was den Osservatore Romano zu der Feststellung veranlasste: »Der Papst trägt nicht Prada, sondern Christus.« Wenn das nicht hilft, wird der offzielle Jugend-Katechismus kurzerhand zum youcat . Und Homer Simpson wird vereinnahmt, um die junge Fanschar zu erreichen. Die Zeitung des Vatikans meinte, in der Folge »Der Vater, der Sohn und der heilige Gaststar« erkannt zu haben, dass Homer Anhänger der katholischen Kirche ist. »Es wissen nur sehr wenige, und er tut wirklich sehr viel, um es zu verstecken. Aber es ist wirklich wahr, Homer Jay Simpson ist ein Katholik.«
    Der Kulturjournalist Alexander Kissler bemängelt angesichts solch verzweifelter Versuche die Eigenständigkeit einer Kirche, die sich vom Segnen auf das Umweltschützen und auf Sozialbelange fernab vom wahren Glauben verlegt hat. »Traurig, orientierungslos, verzweifelt rennt die Kirche einem Trugbild von Zeitgenossenschaft nach, das nur grotesk wirkt«, schreibt er im Focus . »Kirche aber, die redet, wie alle reden, und die will, was alle wollen, schafft sich ab.«
    Warum nimmt sich die Kirche nicht ein Vorbild an denjenigen, die am Mund des Volkes kleben – oder ihm an selbigen den Krug halten? Der Münchner Pfarrer Rainer Maria Schießler geht einen ungewöhnlichen Weg, indem er auf dem Oktoberfest Bier serviert. Für ihn ist die Wiesn – ein Hort des Alkohols, der Völlerei und für viele Besucher auch des Quickies hinterm Hacker-Pschorr-Zelt – kein Widerspruch zur christlichen Lehre. »Mei, der Religionsgründer Jesus von Nazareth hatte den offiziellen Beinamen ›der Fresser und Säufer‹, so steht’s im Evangelium. Er war ein mittelloser Rabbi, der sich von den Leuten hat aushalten lassen und der ständig kritisiert wurde, weil er mit Sündern an einem Tisch sitzt«, sagt Schießler. »Ich wüsst’ nicht, dass das eine Sünde ist, dass man trinkt und feiert. Natürlich ist das Besäufnis kein christliches Ziel! Aber das Oktoberfest gibt es nun einmal, und da leben, arbeiten und feiern die Menschen – da gehört Kirche jetzt auch hin.« Der Pfarrer spendet seinen Lohn von der Arbeit als christlicher Bierexpress und betreibt nebenbei noch Seelsorge für Besucher und Bedienungen auf der Wiesn. Ungewöhnlich ist, dass seine Gottesdienste gut besucht sind und die Menschen auch schon mal klatschen, wenn sie etwas gut finden. Schießler bleibt nicht vorn an der Kanzel stehen, sondern läuft durch den Mittelgang und nennt den Zölibat überholt und die Volksferne der Bischöfe »ungut«. »Ich find’s unmöglich, wenn einer der Kardinäle sagt, Homosexuelle kommen nicht in den Himmel. Was soll denn der Mist? Wir haben doch hier keine Märchenstunde. Erstens: Woher weiß er das?, zweitens: Meine Aufgabe ist es doch nicht, den Menschen Angst zu machen, und drittens interessiert’s doch sowieso kaum noch

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