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Heiliger Zorn

Heiliger Zorn

Titel: Heiliger Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
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bleiben. Sie sind hier nicht mehr willkommen und auch nicht mehr sicher.«
    »Klar, kapiert.« Ich nahm den Chip an. »Wenn ich Sie wäre, würde ich auch von hier abhauen. Schweißen Sie jeden Datenport zu, den es im Kloster gibt, bevor Sie gehen, und dann rufen Sie ein gutes Viren-Reinigungsteam. Wie ich da drinnen gesehen habe, können Ihre Pförtner das Problem nicht mehr bewältigen.«
    Die Sirenen heulten uns an wie Partygäste auf Meth. Der Wärter schüttelte den Kopf, als könnte er auf diese Weise den Lärm vertreiben. »Nein. Wenn dies ein Test ist, werden wir ihn im Upload-Modus bestehen. Wir werden unsere Brüder nicht im Stich lassen.«
    »Oder Ihre Schwestern. Ganz wie Sie meinen, das ist sehr edel von Ihnen. Aber ich persönlich glaube, dass jeder, den sie jetzt da hineinschicken, bis aufs Unterbewusstsein zerfleischt wieder herauskommen wird. Sie brauchen dringend Unterstützung aus der Realwelt.«
    Er starrte mich an.
    »Sie verstehen nicht«, brüllte er. »Dies ist unser Reich, nicht das Fleisch. Dies ist die Bestimmung der Menschheit, der Upload. Hier sind wir am stärksten, hier werden wir triumphieren.«
    Ich gab es auf.
    »Okay«, brüllte ich zurück. »Prima. Sagen Sie mir Bescheid, wie es ausgegangen ist. Jack, Sierra, wir schauen uns nicht an, wie diese Idioten Selbstmord begehen, sondern verschwinden schleunigst von hier.«
    Wir ließen die beiden Entsagenden im Transferraum zurück. Das Letzte, was ich sah, war, wie sich der männliche Wärter auf ein Sofa legte und zur Decke starrte, während die Frau ihm die Elektroden anlegte. Ihr Gesicht glänzte vor Schweiß, aber auch vor Verzückung, zwischen Willen und Emotion hin und her gerissen.
     
    Draußen auf Walrücken und Neunte tünchte das sanfte Nachmittagslicht die blinden Wände des Klosters in warme Orangetöne, und die Geräusche des Verkehrs auf dem Reach trieben mit dem Geruch des Meeres heran. Eine leichte Brise aus dem Westen wirbelte Staub und ausgetrocknete Nieseltrudler-Sporen aus den Gossen auf. Vor uns liefen ein paar Kinder über die Straße, schrien Peng! Peng! und jagten ein Miniaturroboterspielzeug, das nach dem Vorbild eines Karakuri gestaltet war. Sonst war niemand unterwegs, und nichts in der Szenerie wies auf den Kampf hin, der in diesem Moment im Maschinenherzen des Konstrukts der Entsagenden tobte. Man hätte es uns nicht verdenken können, wenn wir das Ganze für einen Traum gehalten hätten.
    Doch während wir weitergingen, nahm ich an der untersten Schwelle meines Neurachem-Gehörs immer noch das Geheul antiker Sirenen wahr, wie eine Warnung, wenn auch nur ganz schwach, vor den erweckten Kräften und dem Chaos, die auf uns zukamen.

 
30
     
     
    Harlans Tag.
    Oder korrekter Harlans Abend. Denn die Feier würde erst beginnen, wenn Mitternacht herangerollt war, und bis dahin waren es noch gute vier Stunden. Aber selbst so früh am Abend, während das letzte Tageslicht noch hoch am westlichen Himmel stand, hatten die ersten Veranstaltungen längst begonnen. Drüben in New Kanagawa und Danchi mussten sich die Innenstädte bereits in bunte Paraden aus Holodisplays und Maskentänzen verwandelt haben, und alle Bars schenkten zu staatlich subventionierten Geburtstagspreisen aus. Ein wichtiger Bestandteil der Tyrannei war das Wissen, wann und wie man seine Untertanen von der Leine ließ, und darin hatten die Ersten Familien eine unübertroffene Meisterschaft entwickelt. Selbst jene, die sie am meisten hassten, hätten anerkennen müssen, dass man Harlan und seinesgleichen nichts vorwerfen konnte, wenn es darum ging, eine Straßenparty zu veranstalten.
    Unten am Wasser in Tadaimako war die Stimmung gesetzter, aber immer noch festlich genug. Die Arbeit im kommerziellen Hafen war schon um die Mittagszeit eingestellt worden, und nun saßen kleine Gruppen von Dockarbeitern auf den Decks der Frachtschiffe, ließen Pfeifen und Flaschen kreisen und schauten erwartungsvoll in den Himmel. Im Jachthafen liefen kleinere Parties auf den meisten Schiffen, und ein paar ergossen sich von den Jachten auf die Anlegestege. Ein verwirrendes Musikgemisch schwappte überall durch die Luft, und als die Abendbeleuchtung stärker wurde, konnte man erkennen, wo Decks und Masten mit grünem und rosafarbenem Illuminiumpulver bestäubt worden waren. Überschüssiges Pulver schimmerte schaumig im Wasser zwischen den Kielen.
    Ein paar Jachten vom Trimaran entfernt, den wir stehlen wollten, winkte mir eine minimal bekleidete Blondine kichernd zu.

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