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Heiliger Zorn

Heiliger Zorn

Titel: Heiliger Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
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konnte sogar irgendwie seinen Schrei im allgemeinen Lärm hören. Eine knappe Sekunde lang war es eine menschliche Stimme, dann kippte sie um, als hätte eine ungeduldige Hand an der Tonmischung sämtliche Regler verschoben. Irgendwie schien Natsumes Festigkeit zu zerfließen, während er wie ein Fisch zappelte, der zwischen zwei zusammengedrückten Glasscheiben gefangen war. Er zerschmolz und kreischte im unheimlichen Einklang mit dem Wüten der zwei Eindringlinge.
    Ich verließ die Halle.
    Wir rannten zum Wasserfall. Ein weiterer Blick zurück zeigte mir, wie das gesamte Kloster hinter uns demoliert wurde und die zwei schwarzen Tentakelgestalten immer größer wurden, während sie auf die sie herumschwirrenden Pförtner einschlugen. Der Himmel hatte sich verdunkelt, als würde ein Sturm heraufziehen, und die Luft war plötzlich kühl geworden. Ein unbeschreibliches Zischen lief durch das Gras zu beiden Seiten des Pfades, wie strömender Regen, wie ein Gas, das durch ein leckes Hochdruckventil entwich. Als wir den gewundenen Pfad neben dem Wasserfall hinunterstürmten, sah ich wilde Interferenzmuster, die den Vorhang aus Wasser zerrissen, und für einen kurzen Moment, als wir die Plattform erreichten, hörte der Fluss ganz auf, wurde zu einer plötzlichen Leere aus nacktem Fels und freier Luft. Dann setzte er prustend wieder ein.
    Ich sah Brasil an. Er wirkte nicht glücklicher, als ich mich fühlte.
    »Du gehst zuerst«, sagte ich zu ihm.
    »Nein, das ist schon okay. Du…«
    Ein schrilles, dröhnendes Heulen vom Pfad. Ich versetzte ihm einen Stoß gegen den Rücken, und als er durch den donnernden Wasservorhang verschwand, sprang ich ihm hinterher. Ich spürte, wie mir das Wasser auf Arme und Schultern spritzte, wie ich kippte…
    … und auf dem lädierten Sofa hochschreckte.
    Es war ein Nottransfer gewesen. Ein paar Sekunden lang fühlte ich mich immer noch feucht vom Wasserfall, hätte schwören können, dass meine Kleidung klitschnass war und mir das Haar am Kopf klebte. Ich sog gurgelnd den Atem ein, und dann holte mich die Wahrnehmung der realen Welt ein. Ich war trocken. Ich war in Sicherheit. Ich riss mir die Hypnofone und Elektroden ab, rollte mich von der Couch, blickte mich um, spürte, wie mein Herzschlag verspätet hochfuhr, als mein physischer Körper auf Signale eines Bewusstseins reagierte, das eben erst auf den Fahrersitz zurückgekehrt war.
    Auf der anderen Seite des Transferraums war Brasil bereits auf den Beinen und unterhielt sich hektisch mit Sierra Tres, die eine grimmige Miene aufgesetzt hatte und auf irgendeine Weise wieder an ihren Blaster und meine Rapsodia gelangt war. Der Raum war mit dem staubkehligen Geheul von Alarmsirenen erfüllt, die seit Jahrzehnten nicht benutzt worden waren. Die Beleuchtung flackerte ungewiss. Ich begegnete der Wärterin mitten im Raum, wo sie soeben eine Instrumentenkonsole verlassen hatte, die farbenprächtig durchdrehte. Selbst die spärliche Muskulatur des Fabrikon-Sleeves vermittelte die schockierte Wut, mit der sie mich anstarrte.
    »Haben Sie das eingeschleppt?«, rief sie. »Haben Sie uns kontaminiert?«
    »Nein, natürlich nicht. Überprüfen Sie Ihre verdammten Instrumente. Diese Dinger sind immer noch hier drinnen.«
    »Was, zum Henker, war das?«, fragte Brasil.
    »Wenn ich einen Tipp abgeben soll, würde ich sagen, ein schlafendes Virus.« Beiläufig nahm ich Tres die Rapsodia ab und überprüfte die Ladung. »Du hast gesehen, welche Form es hatte – ein Teil dieser Wesen war früher ein Mönch gewesen, eine digitalisierte Verkleidung der Offensivsysteme, während sie inaktiv waren. Sie haben nur auf den richtigen Auslöser gewartet. Die Wirtspersönlichkeit war sich vielleicht nicht einmal bewusst, was sie in sich trug, bis es herausplatzte.«
    »Ja, aber warum?«
    »Natsume«, sagte ich achselzuckend. »Sie haben ihn vermutlich markiert, seit er…«
    Die Wärterin starrte uns entgeistert an, als hätten wir uns plötzlich in Maschinencode unterhalten. Ihr Kollege tauchte hinter ihr an der Tür zum Transferraum auf und drängte sich an ihr vorbei. Er hatte einen kleinen beigefarbenen Datenchip in der linken Hand, und die billige Silikonhaut war straff über die Finger gespannt. Er wedelte mit dem Chip vor uns herum und kam näher, um den Lärm der Sirenen zu übertönen.
    »Sie müssen sofort gehen«, sagte er energisch. »Ich habe von Norikae-san den Auftrag erhalten, Ihnen das hier zu geben, aber Sie dürfen keinen Augenblick länger hier

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