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Heiliger Zorn

Heiliger Zorn

Titel: Heiliger Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
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geschlossen, als ich ihn packte, aber es nützte ihm nichts. Meine Finger rissen ihm das Augenlid von der Braue abwärts herunter, schabten über den Augapfel und zerrten ihn am Sehnerv heraus. Er schrie wie ein Tier. Plötzlich mischte sich rotes Blut ins Grau des Regens und spritzte mir warm ins Gesicht. Er ließ mich los und bäumte sich auf, mit zerfetztem Gesicht und einem herabhängenden Auge, aus dem immer noch kleine Blutfontänen pumpten. Ich brüllte und setzte ihm nach, führte einen Schlag gegen die unbeschädigte Seite seines Kopfes, der ihn seitlich gegen das Geländer des Stegs warf.
    Dort hing er eine Sekunde lang, die linke Hand unsicher erhoben, um mich abzuwehren, die rechte zur Faust geballt, trotz der Verletzungen, die der Arm erlitten hatte.
    Dann riss der Sumpfpanther ihn herunter.
    Es ging blitzschnell. Ein verwischter Schatten aus Mähne und Mantel, ein Hieb der Vordertatze, ein klaffender Schnabel. Die Krallen gruben sich in seine Schulter und zerrten ihn wie eine Flickenpuppe vom Steg. Er schrie einmal, dann hörte ich ein kurzes, heftiges Knirschen, als sich der Schnabel schloss. Ich sah es nicht, aber vermutlich hatte der Panther ihn einfach in zwei Hälften zerbissen.
    Bestimmt eine volle Minute lang stand ich schwankend auf dem schiefen Steg und lauschte auf die Geräusche, mit denen Knochen brachen und Fleisch zerrissen und heruntergefetzt wurde. Schließlich taumelte ich zum Geländer und zwang mich, hinunterzuschauen.
    Es war zu spät. Nichts in der Umgebung des fressenden Panthers sah noch danach aus, als hätte es jemals auch nur im Entferntesten etwas mit einem menschlichen Körper zu tun gehabt.
    Der Regen hatte das meiste Blut bereits fortgespült.
     
    Sumpfpanther waren nicht besonders intelligent. Gesättigt interessierte sich dieses Exemplar kaum oder gar nicht mehr dafür, dass ich weiter über ihm existierte. Ich verbrachte ein paar Minuten damit, nach der Rapsodia zu suchen, konnte sie aber nirgendwo entdecken. Ich machte mich also daran, die Grube zu verlassen. Mit den zahlreichen Rissen in der Betonwand, die durch die Ankunft des Pfählers verursacht worden war, stellte es keine allzu große Schwierigkeit dar. Ich benutzte den größten Riss als Basis, zwängte meine Füße hinein und zog mich Stück für Stück hinauf.
    Mit Ausnahme eines kurzen Schrecks, als meine Hand ganz oben einen Brocken aus dem Beton löste, war es ein schneller und ereignisloser Aufstieg. Unterwegs hatte etwas im Eishundo-System dafür gesorgt, dass mein Nasenbluten nachließ.
    Schließlich stand ich oben auf der Wand und horchte auf Kampfgeräusche. Doch außer dem Sturm hörte ich nichts, und selbst der schien leiser geworden zu sein. Der Kampf war entweder zu Ende, oder man war zur Anschleichtaktik übergegangen. Offenbar hatte ich Vlad und seine Leute unterschätzt.
    Oder die haiduci.
    Es wurde Zeit, dass ich herausfand, welche Möglichkeit zutraf.
    Ich fand Segesvars Blaster in einer Blutpfütze neben der Fütterungsgrube, überprüfte die Ladung und machte mich auf den Rückweg über die Kampfarenen. Unterwegs dämmerte mir allmählich, dass Segesvars Tod mir nur ein schwaches Gefühl der Erleichterung vermittelte. Ich konnte mich nicht mehr darüber aufregen, wie er mich verkauft hatte, und die Enthüllung seiner Verbitterung, dass ich ihm Eva ausgespannt hatte…
    Yvonna.
    … richtig, Yvonna. Diese Enthüllung bestärkte nur eine offensichtliche Wahrheit. Trotz allem war das Einzige, was uns über fast zweihundert Jahre zusammengehalten hatte, jene unbeabsichtigt auferlegte Schuld in der Gasse. Wir hatten uns in Wirklichkeit nie richtig gemocht, und das brachte mich auf die Idee, dass mein jüngeres Ich vermutlich mit Segesvar gespielt hatte, wie Ide ein Zigeunerviolinsolo.
    Als ich wieder unten im Tunnel war, hielt ich alle paar Schritte an, um zu horchen, ob irgendwo geschossen wurde. Der Feuchtbunkerkomplex wirkte auf unheimliche Weise still, und meine Schritte hallten lauter, als mir lieb war. Ich ging den Tunnel zurück bis zur Luke, wo ich Murakami zurückgelassen hatte, und fand Aiura Harlans Überreste mit einem chirurgisch ordentlich geschnittenen Loch vor, wo sich das obere Ende ihrer Wirbelsäule befunden hatte. Kein Anzeichen, dass sonst noch jemand anwesend war. Ich schaute mich in beide Richtungen im Korridor um, horchte erneut, und nahm nur ein regelmäßiges metallisches Klirren wahr, das, wie ich vermutete, von den gefangenen Sumpfpanthern kam, die sich, aufgestachelt

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