Heiliger Zorn
zu Boden.«
Es knallte zweimal, und leise, helle Schreie ertönten aus dem Holo. Der Geschichtenerzähler nickte und räusperte sich.
»Schafft ihn fort, befahl Quell, und zwei Männer traten aus der Menge, nahmen den Priester und trugen ihn fort. Er schrie noch immer. Ich nehme an, dass die beiden froh über die Gelegenheit zum Verschwinden waren, denn nun waren die Menschen still und furchtsam beim Anblick der Waffe in Quells Hand. Und als die Schreie sich in der Ferne verloren hatten, trat eine Stille ein, die nur vom Heulen des Küstenwinds am Kai und vom Wimmern der Wohlgestalten Hure zu Quells Füßen gebrochen wurde. Und Quell wandte sich dem zweiten Priester zu und richtete ihren schweren Revolver auf ihn. Jetzt du, sagte sie. Willst du mir erzählen, dass du noch nie mit einer Hure zusammen warst? Und der Priester straffte sich, erwiderte ihren Blick fest und sagte: Ich bin ein Priester, und in meinem ganzen Leben habe ich keiner Frau beigewohnt, denn ich würde niemals mein heiliges Fleisch beflecken.«
Der Geschichtenerzähler warf sich dramatisch in Pose und hielt inne.
»Er lässt es ganz schön drauf ankommen mit diesem Zeug«, flüsterte ich Sylvie zu. »Die Zitadelle ist gleich oben auf dem Hügel.«
Aber sie hatte nur Augen für das kleine Rund des Holodisplays. Während ich zusah, begann sie leicht zu wanken.
Ach du Scheiße.
Sie schüttelte mich verärgert ab, als ich nach ihrem Arm griff.
»Quell blickte den Schwarzgewandeten an, und als sie in seine brennenden, pechschwarzen Augen sah, erkannte sie, dass er die Wahrheit sagte, dass er zu seinem Wort stand. Sie sah auf den Revolver in ihrer Hand und dann wieder zum Mann, der vor ihr stand. Und sie sagte: Dann bist du ein Fanatiker und nicht fähig zu lernen, und sie schoss ihm ins Gesicht.«
Noch ein Knall, und dann explodierte leuchtendes Rot im Holo. Eine Nahaufnahme vom zerstörten Gesicht des Priesters. Die Menge brach in Applaus und Johlen aus. Der Geschichtenerzähler blieb mit einem bescheidenen Lächeln auf den Lippen stehen, bis der Jubel verklang. Neben mir regte sich Sylvie, als wäre sie gerade aufgewacht. Der Geschichtenerzähler grinste.
»Nun, meine Freunde, wie ihr euch wahrscheinlich vorstellen könnt, war die wohlgestalte Hure ihrer Retterin zutiefst dankbar. Und als die Menge auch die Leiche des zweiten Priesters fortgetragen hatte, lud sie Quell zu sich nach Hause ein, wo sie…« Der Geschichtenerzähler legte seine Schalttafel erneut beiseite und schlang die Arme um sich. Er erschauderte demonstrativ und rieb sich mit den Händen über die Oberarme. »Aber es ist wirklich zu kalt, um fortzufahren, furchte ich. Ich kann nicht…«
Während sich wieder Protestgeschrei erhob, nahm ich Sylvie erneut am Arm und führte sie weg. Während der ersten paar Schritte sagte sie nichts, dann blickte sie unbestimmt zum Geschichtenerzähler zurück und dann zu mir.
»Ich war noch nie auf Sharya«, sagte sie verwirrt.
»Und ich wette, dass er es auch nicht war.« Ich sah ihr aufmerksam in die Augen. »Und Quell war ganz sicher auch nie da. Aber es war trotzdem eine gute Geschichte.«
15
Bei einem Straßenhändler am Kai kaufte ich eine Packung Wegwerftelefone und rief mit einem davon Lazlo an. Seine Stimme kam verzerrt von der Interferenz veralteter Stör- und Entstörsignale bei mir an, die über New Hok hing wie Anfang des Jahrtausends die Smogkuppel über einer Erdenstadt. Die Hafengeräusche um mich herum waren auch nicht besonders hilfreich. Ich hielt mir das Telefon dicht ans Ohr.
»Du musst lauter reden«, erklärte ich.
»… gesagt, dass es ihr immer noch nicht wieder gut genug geht, um das Netz zu benutzen?«
»Sie sagt Nein. Aber sie hält sich gut. Hör mal, ich habe die Spuren gelegt. Du darfst damit rechnen, dass dir demnächst ein ziemlich angepisster Kurumaya die Tür einrennt. Üb also lieber schon mal deine Alibis ein.«
»Wer, ich?«
Ich musste unwillkürlich grinsen. »Irgendein Zeichen von diesem Kovacs?«
Seine Antwort wurde von einem plötzlichen Aufwallen statischen Geknisters verschluckt.
»Noch mal?«
»… heute Morgen rein, meinte, er hätte gestern die Schädel-Bande in der Nähe von Sopron gesehen, zusammen mit ein paar unbekannten Gesichtern, sah nach… schnellstens nach Süden. Wahrscheinlich treffen sie irgendwann heute Abend ein.«
»In Ordnung. Haltet die Augen offen, falls Kovacs auftaucht. Der Mann ist ein gefährliches Stück Scheiße. Passt auf euch auf. Sensoren
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