Heiliger Zorn
erklärte ich müde. »Wollen wir dann über den Preis reden?«
Auf der Straße entdeckte ich Sylvie am Rand einer Menschenmenge, die sich um einen Holoshow-Erzähler versammelt hatte. Es war ein alter Mann, aber seine Hände eilten schnell über die Displaykontrollen, und ein Synthsystem, das mit Klebeband an seinem Hals befestigt war, veränderte seine Stimme und passte sie den verschiedenen Figuren seiner Geschichte an. Das Holo zu seinen Füßen war eine bleiche Kugel voll wabernder Gestalten. Als ich an Sylvies Arm zupfte, hörte ich gerade den Namen Quell.
»Gütiger Himmel, hättest du da drinnen vielleicht noch ein bisschen scheißoffensichtlicher sein können?«
»Pst, Klappe. Hör zu.«
»Dann trat Quell aus dem Haus des Belatang-Händlers und sah eine Menschenmenge, die sich am Kai versammelt hatte und wütend rief und gestikulierte. Sie konnte nicht genau erkennen, was geschah. Bedenkt, Freunde, dass sich all das auf Sharya zugetragen hat, wo die Sonne so grausam wie ein radioaktives Feuer brennt und…«
»Und wo es keinen Belatang gibt«, flüsterte ich Sylvie ins Ohr.
»Psst.«
»… also kniff sie die Augen gegen das helle Licht zusammen, aber, nun ja.« Der Geschichtenerzähler legte seine Schalttafel beiseite und blies sich auf die Finger. Im Holodisplay erstarrte die Quell-Figur, und die Szenerie um sie herum wurde undeutlicher. »Vielleicht sollte ich für heute aufhören. Es ist sehr kalt, und ich bin nicht mehr der Jüngste, die Knochen…«
Ein Chor von Protestrufen aus der versammelten Menge. Kreditchips prasselten in das umgedrehte Netzquallensieb, das vor dem Geschichtenerzähler auf der Straße stand. Der Mann lächelte und nahm die Schalttafel wieder zur Hand. Das Holo wurde heller.
»Sie sind sehr gütig. Dann wollen wir mal sehen. Quell ging durch die rufende Menge, und mittendrin sah sie mit einem Mal eine junge Hure in einem zerrissenen Kleid, das den Blick auf ihre perfekten, schwellenden Brüste freigab, deren Brustwarzen sich deutlich sichtbar wie saftige Kirschen in der warmen Luft aufgestellt hatten. Das weiche, dunkle Haar zwischen ihren langen, ebenmäßigen Schenkeln war wie ein kleines, verängstigtes Tier, über das sich zwei wilde Reißflügler beugten.«
Das Holo wechselte zu einer gefälligen Nahaufnahme. Um uns herum stellte das Publikum sich auf die Zehenspitzen. Ich seufzte.
»Und über ihr standen, über ihr standen zwei Männer von der berüchtigten schwarzgewandeten Religionspolizei, bärtige Priester mit langen Messern. Ihre Augen glänzten vor Blutdurst, ihre Zähne blitzten aus dem Dunkel ihrer Bärte hervor, denn sie erfreuten sich grinsend an der Macht, die sie über das junge Fleisch dieser hilflosen Frau hatten.
Aber Quell stellte sich zwischen die Messerspitzen und das nackte Fleisch der jungen Hure und sprach mit lauter Stimme: Was geht hier vor! Und die Menge verstummte beim Klang ihrer Stimme. Und erneut fragte sie: Was geht hier vor? Was werft ihr dieser Frau vor? Und erneut schwiegen alle, bis schließlich einer der beiden schwarzgewandeten Priester erklärte, dass man die Frau bei der Sünde der Hurerei erwischt habe und dass die Gesetze von Sharya verlangten, dass sie getötet würde, dass man ihr Blut im Wüstensand versickern lassen und ihren Leichnam ins Meer werfen würde.«
Für eine Sekunde flackerte Trauer und Wut in mir auf. Ich unterdrückte die Gefühle und atmete heftig aus. Die Zuhörer um mich herum drängten sich dichter, duckten und reckten sich, um das Holo besser sehen zu können. Jemand kam mir zu nahe, und ich versetzte ihm einen kräftigen Ellbogenstoß in die Rippen. Er jaulte auf, gefolgt von schmerzerfüllten Flüchen, die von einem anderen Zuschauer mit Lauten der Verärgerung zum Verstummen gebracht wurden.
»Also wandte sich Quell zur Menge um und fragte: Wer von euch hat nicht das eine oder andere Mal mit einer Hure gesündigt? Und die Versammelten wurden still und wandten den Blick ab. Aber einer der Priester tadelte sie wütend dafür, dass sie sich in eine Angelegenheit des heiligen Rechts einmischte, und so fragte sie ihn direkt: Warst du noch nie bei einer Hure? Und viele in der Menge kannten ihn und lachten, sodass er zugeben musste, dass er bei einer gewesen war. Aber das ist etwas anderes, sagte er. Ich bin ein Mann. – Dann, erwiderte Quell, bist du ein Heuchler, und sie zog einen schweren Revolver aus ihrem langen grauen Mantel und schoss dem Priester in beide Kniescheiben. Und er fiel schreiend
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