Heiliges Feuer
nicht.«
»Aber er wird mich doch nicht bezahlen?«, flüsterte Maya zurück. »Solange er mich nicht bezahlt, geht es in Ordnung.«
»Ich kümmere mich drum«, versicherte ihr Novak. »Sei tapfer.«
Barbara war Viettis Oberassistentin. Barbara hatte den Akzent des Londoner Westend und die breiten Gesichtszüge und das krause schwarze Haar einer Inderin, kombiniert mit dem Pfirsichteint eines präraphaelitischen Mädchens. Barbara war sachlich und tüchtig und so hübsch gekleidet wie eine hochrangige Diplomatin. Barbara war achtzig Jahre alt.
Barbara nahm Maya mit in den Schminkraum mit lauter männlichen Models. Vor hell ausgeleuchteten Videospiegeln saßen etwa zehn erstaunlich gut aussehende, nur teilweise bekleidete Männer, spannten Bizeps und Quadrizeps an und bereiteten sich systematisch auf ihren Auftritt vor.
»Das ist Philippe, er wird sich um dich kümmern«, sagte Barbara und drückte Maya auf einen Stuhl an der Seite des Kosmetikers nieder. Philippe war ein kleiner Mann mit einem winzigen verkniffenen Mund, pomadisiertem blondem Haar und einer riesigen Brille. Philippe sah sie an, stieß ein entsetztes »Lieber Gott, nein!«, hervor, ließ Spachtel, Reinigungscreme, saugfähige Papiertücher, Puderquasten bringen und verlangte dringend nach dem Friseur.
Die beiden Models neben Maya unterhielten sich miteinander. »Hast du Tomi heute Abend schon gesehen? Er ist dick geworden. Richtig dick.«
»Das kommt vom Enkel«, meinte das zweite Model. »Ich meine, übers eigene Kind kommt man hinweg, aber wenn das Kind ein Kind bekommt, also, ich weiß nicht.«
»Was macht dein neues Haus, Brandon?«
»Bis jetzt läuft alles glatt, aber wir hätten in dem erdbebengefährdeten Gebiet nicht so tief bohren sollen. Das macht mir Sorgen.«
»Nein, jetzt habt ihr es geschafft, jetzt kannst du es mit Bobby versiegeln, Mikroben einsetzen, eine diskrete Sache da unten, wirklich, ich werde ganz grün vor Neid.« Das Model schaute in den Videospiegel. Das Spiegelbild war nicht seitenverkehrt. »Sind meine Augenlider okay?«
»Hast du sie wieder straffen lassen?«
»Nein, diesmal ist es was Neues.«
»Adrian, deine Lider haben nie besser ausgesehen. Im Ernst.«
»Danke. Hab ich dir schon erzählt, dass ich in die Armee eingetreten bin?«
»Du machst Witze.« Brand beugte sich mühelos vor und setzte die Hände flach auf den Boden. Er machte einen Handstand, dann krümmte er methodisch die Ellbogen. Seine muskulösen Beine, die Zehen zur Decke weisend wie bei einem Turmspringer, wirkten so massiv, als bestünden sie aus Bronze.
»Na ja«, sagte Adrian, »die Behandlungen verschlingen eine Menge Geld, und der Sozialdienst, also das ist ein Haufen Schmutzfinken. Hab ich nicht Recht? Aber die bewaffneten Streitkräfte! Ich meine, die moderne Gesellschaft braucht doch eine ordnende Hand, im Ernst. Neben all diesen verweichlichten Zivilisten muss es doch auch ein paar ernsthafte Kerle geben, die bereit sind, jemandem in den Hintern zu treten und Tacheles zu reden. Capisci?«
Brandon vollführte einen mühelosen Salto rückwärts. Er betrachtete im Spiegel seinen Waschbrettbauch, runzelte die Stirn und schnappte sich einen reaktiven Gürtel. »Für wie lange hast du dich verpflichtet?«
»Für fünf Jahre.«
»Die fünf Jahre könntest du problemlos auch im Kopfstand runterreißen.« Brando rückte den Gürtel zurecht, der sich mit einem saugenden Geräusch schloss. »Die medizinische Untersuchung und das alles hast du überstanden?«
»Klar, die lieben mich. Sie haben mich ins Offizierskorps gesteckt.«
»Die Sache mit der Prostata hat ihnen nichts ausgemacht?«
»Das ist Geschichte, die Prostata ist nagelneu und knackig. Ich habe am Wochenende Dienst in einer Basis in Kairo.« Adrian hielt plötzlich inne. »Philippe, was stellst du denn da mit den Augenbrauen von dem armen Kind an?«
»Ich bin in Eile«, klagte Philippe.
»Das Kleid ist historisch. Du musst dem Mädel Augenbrauen aus den Zwanzigern machen. Du kannst sie ihr nicht einfach auszupfen, als wäre sie eine wild gewordene Veruzhina, das ist ein naiver Look.« Adrian tätschelte Maya väterlich den Arm. »Hab dich noch nie gesehen, Mädchen. Zum ersten Mal bei Giancarlo?«
»Ja. Es ist überhaupt das erste Mal für mich.«
»Brandon, hör dir das mal an, sie ist Amerikanerin.«
»Seid ihr auch Amerikaner?«, fragte Maya.
»Klar«, antwortete Adrian lächelnd, »Europäer lieben den ursprünglichen Amerikaner, breite Schultern, Muskeln,
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