Heiliges Feuer
strohdumm, kann kaum sprechen, wie soll man den nicht mögen?«
»Sie mögen uns gern männlich«, sagte Brandon. »Sie bezahlen gut für Männlichkeit, weil es mörderisch ist, sich die männliche Ausstrahlung zu bewahren.« Er lachte.
»Du hast saure Poren, Schätzchen«, sagte Philippe tief besorgt. »Hast du in Schimmel gebadet?«
»Bloß einmal.«
»Das solltest du aber. Das solltest du wirklich! Ich habe eine Aspergillus-Kultur, die würde Wunder bei dir wirken. Ich muss den Haaransatz verschieben und die Oberlippe depilieren. Das könnte ein bisschen weh tun.«
Pinzetten zupften, Bürsten surrten, Cremes zogen ein, Puder reagierten. Nach einer halben Stunde waren alle Männer perfekt angekleidet. Die ersten traten auf den Laufsteg hinaus.
Philippe zeigte Maya ihr neues Gesicht.
Sie hatte schon viele Gesichtsbehandlungen über sich ergehen lassen, alle möglichen Arten von Gesichtsbehandlung, über Jahrzehnte hinweg. Die meisten waren rein kosmetischer, technischer Natur gewesen. Restaurative Gesichtsbehandlungen, wonach das Gesicht roh und unfertig wirkte, die Art Gesicht, das in einem warmen, dunklen Raum allein gelassen werden wollte, um sich wiederherzustellen. Philippe aber war ein Künstler. Es war noch immer Mayas Gesicht - aber ein gesammeltes, strahlendes, makelloses Maya-Gesicht. Geschwungene, leicht gefärbte Wimpern. Rauchfarbene Augenlider. Brauen wie Schwingen. Die Haut weicher als Damast. Die Iris klar, der Augapfel so strahlend weiß wie Porzellan. Lippen wie Mohnblüten. Ein vollendetes Gesicht. Menschliche Vollkommenheit.
Anschließend setzte man ihr eine neue Perücke auf, und Maya stieg aus dem Reich der menschlichen Vollkommenheit in eine noch höhere Sphäre auf. Es war eine sehr smarte Perücke. Sie hätte wie ein Überschallschneller Oktopus von ihrem Schädel springen und ihre Arme durch eine Wand treiben können. Da sie jedoch einem großen Modehaus gehörte, würde sie eine derartige Taktlosigkeit niemals begehen. Die Perücke war unglaublich schön, die Farbe ein tiefes, äußerst überzeugendes, ganz leicht lumineszierendes Kastanienbraun, so teuer, behaglich und gut gebaut wie eine Limousine.
Die Perücke verankerte sich überzeugender auf ihrem Kopf als ihr eigenes Haar. Die glänzenden Wellen, die sich ihr um Hals und Schultern legten, verhielten sich so wie Frauenhaar in Tagträumen.
Ein Gong ertönte. Die letzten Männer verließen den Raum. Vier weibliche Models kamen hereingeschlendert. Die Frauen waren groß und schlank und mit Ausnahme der Schuhe vollständig bekleidet. Die Schuhe waren stets problematisch, und ängstliche Läufer wechselten sie ständig aus. Die Models nippten gelangweilt und geduldig Tinkturen, nahmen Inhalationen und verspeisten Appetithäppchen in Form kleiner weißer, kalorienfreier Stäbchen. Ihre unnatürlich langen Arme beförderten die Speisen mit gespenstischer Anmut vom bunten Tablett an die bemalten Lippen.
Die Models waren alte Frauen, und sie sahen so aus, wie moderne alte Frauen in bester Verfassung eben aussahen: sie wirkten wie Athletinnen jenseits der Wechseljahre. Wie pubertierende Turnerinnen, denen man allen jugendlichen Schwung ausgetrieben hatte. Sie wiesen keines der natürlichen Anzeichen des Alterns auf, sondern waren bloß ein wenig spröde, ein wenig straff. Die Models waren ernst, dunkeläugig, zart und ungewöhnlich kräftig. Sie erweckten den Eindruck, sie könnten mit dem Kopf voran durch eine Glasplatte springen, ohne sich ein Härchen zu krümmen.
Ihre Kleider waren dekorativ, schlauchförmig, eng in den Hüften und eng an der Brust. Beim Anblick dieser Models drängte sich einem der Gedanke auf, dass weibliche Kleidung auch ohne sexuelle Ausstrahlung schön, eindrucksvoll, sogar feminin sein konnte. Die Kleider waren wunderbar geschnitten. Ziemlich ekklesiastisch, ziemlich streng, an die Hofkleidung hochstehender Palasteunuchen aus der Verbotenen Stadt erinnernd. Einige Kleider zeigten Haut, doch es war die Art Haut, wie eine Frau sie zeigen mochte, die sich anschickte, den Ärmelkanal zu durchschwimmen.
Die Kleider geizten nicht mit Federn. Weder dezent noch protzig, sondern in schimmernder, geschäftsmäßiger Anordnung, Federn wie ein Kettenhemd. Giancarlo hatte sich bei seiner Frühjahrskollektion diesmal auf Federn kapriziert. Vor allem die sorgfältige Verarbeitung der Federn hatte diese Kleider ins überirdische Reich des Luxus entschweben lassen.
»[Es geht nicht bloß um die Reduzierung des
Weitere Kostenlose Bücher