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Heiliges Feuer

Heiliges Feuer

Titel: Heiliges Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Stecknadel klaust, werfe ich dich raus.« Sie blickte hangabwärts. »Welche Freude. Da kommt dein Freund zurück.«
    Maya probierte die Kekse. Sie schmeckten wundervoll. Sie steckte sich eine ganze Handvoll in den Mund und mampfte wie ein Hamster.
    Ulrich näherte sich schnaufend, mit gerötetem Gesicht, und warf den Matchbeutel auf den Tisch. »Lass uns übers Geschäft reden.«
    »Prima«, meinte Therese. »[Übrigens, ich hab dein Mädel gerade für meinen Laden angeheuert.]«
    »[Was?]« Ulrich lachte. »[Du machst doch Witze, oder? Sie kann sich ja nicht mal mit den Kunden unterhalten.]«
    »[Ich brauche keine weitere Verkäuferin, ich brauche ein Model.]«
    »[Therese, das ist wirklich kurzsichtig und kontraproduktiv von dir. Ich muss sagen, ich bin enttäuscht. Dass du mir das aus reiner Bosheit antust]«, sagte Ulrich. »[Ich dachte, du wärst über unseren kleinen Streit längst hinweg.]«
    »[Ich und boshaft? Niemals! Die Kleine ist hübsch, sie kann nichts ausplaudern, und sie hat einen ausgewachsenen Vogel. Sie ist das perfekte Model.]«
    »Du solltest dieser Frau nicht trauen«, wandte Ulrich sich auf englisch an Maya. »Sie hält dich für verrückt.«
    »Das hast du auch gesagt«, entgegnete Maya kauend. Sie trank gluckernd ein paar Schlucke Mineralwasser. »Es ist ein Job, und ich bin eine Illegale. Das ist eine prima Gelegenheit für mich. Natürlich will ich sie ergreifen. Was hast du denn erwartet?«
    Ulrich errötete. »Ich habe dir jeden Wunsch erfüllt. Ich habe alle deine Regeln eingehalten. Du bist undankbar.«
    Maya zuckte die Achseln. »Jimmy, am Marienplatz gibt es drei Millionen Mädchen. Such dir eine andere. Ich komme allein zurecht.«
    Ulrich riss den Beutel vom Tisch und warf ihn sich über die Schulter. »[Wenn du meinst, du würdest gesellschaftlich aufsteigen, bloß weil du in dem dämlichen kleinen Laden dieser Kuh arbeitest, dann täuschst du dich. Wenn du gehen willst, dann geh doch! Aber glaub ja nicht, du könntest wieder angekrochen kommen und um ein Leben in Freiheit betteln!]«
    »Ihr Laden ist geheizt«, erklärte Maya.
    Ulrich wandte sich heftig ab und schlurfte davon.
    Lange Zeit schwiegen sie. »Mädchen, du bist ein richtig kalter Fisch«, sagte Therese schließlich mit einem Unterton von Bewunderung.

3
     
    Maya arbeitete in Thereses Laden auf dem Viktualienmarkt. Der Laden hatte eine Backsteinfassade mit einem großen Schaufenster und war vollgestopft mit Klamotten und Schuhen. Hinten lag ein winziges Büro, in dem Therese ums Überleben kämpfte. Die meisten Geschäfte wickelte sie in bar ab, häufig auf Tauschbasis, bisweilen auch gegen Edelmetalle. Maya wohnte im Laden, trug Thereses Klamotten und schlief unter ihrem Schreibtisch. Therese nächtigte in der Hochhauswohnung ihrer Eltern, zusammen mit wechselnden schmuddeligen, gefährlich wirkenden, wortkargen Freunden.
    Es bedeutete eine große Erleichterung für Maya, zur Arbeit gezwungen zu sein, anstatt ständig frei, glücklich und zuversichtlich sein zu müssen. Das war auf die Dauer fürchterlich anstrengend.
    Eines Nachts gegen Ende Februar erwachte Maya im Laden und stellte fest, dass sie schlafwandelte und zwanghaft damit beschäftigt war, die Waren in Ordnung zu bringen. Das war Mia zuzuschreiben. Mia ging es gut. Mia mochte dieses Leben. Mia fühlte sich jetzt, da sie eine Aufgabe hatte, ganz in ihrem Element.
    Maya arbeitete hart, ohne sich zu beklagen und ohne großen Lohn zu erwarten, und das beeindruckte Therese. Wie die meisten jungen Leute, die sich in der modernen Wirtschaft selbständig gemacht hatten, wusste Therese unentgeltliche Leistungen sehr zu schätzen. Gleichwohl war Maya unzufrieden. Sie konnte die Etiketten nicht lesen, und sie konnte sich nicht richtig mit den Kunden unterhalten. So ging es nicht weiter.
    Maya erbettelte sich ein wenig Bargeld von Therese, ging zu einer preiswerten Sprachschule in Schwabing und erstand 500 Milliliter Lehrtinktur. Dieser spezielle Trank sollte einen für Sprache besonders empfänglich machen und dem ›Erwachsenenhirn die syntaktische Aufnahmefähigkeit eines dreijährigen Kindes‹ verleihen. Zwar konnten sämtliche intelligenten Drogen der Welt nicht bewirken, dass die deutsche Sprache leicht zu erlernen gewesen wäre - das mit der ›Aufnahmefähigkeit eines dreijährigen Kindes‹ aber stimmte. Die Neuraldroge machte ihre verinnerlichten Englischkenntnisse ausfindig und stieß unmittelbar hinein, so wie ein Stiefel eine Glasscheibe

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