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Heiliges Feuer

Heiliges Feuer

Titel: Heiliges Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Treffpunkt, wenn wir mal Tuchfühlung brauchen. Freut mich, dass ihr gekommen seid. Wie gefällt euch unser Wirt?«
    »Mir gefällt er nicht besonders«, erklärte Klaudia in affektiertem Englisch.
    »Ein erstaunlicher Typ, findet ihr nicht? Er ist ein faszinierender Geschichtenerzähler. Hat zahllose Stories auf Lager. Er war mal Kosmonaut.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja, in der einzigen tschechischen Mondkolonie. Hat die Seuchenjahre auf dem Mond verbracht. Deshalb trägt er den Anzug. Damals haben sie aufgrund der Langzeitstrahlung Probleme mit dem Immunsystem bekommen. Anfangs hat er es auf der Erde ohne Schutzanzug versucht, aber da bekam er Staphylokokken und hat ‘ne Menge Narben zurückbehalten. Deshalb hat er sich auch den dichten Pelz machen lassen.«
    »Einem Kosmonauten bin ich noch nie begegnet.«
    »Also, jetzt kennst du einen. Klaus gehört das Tete. Ich muss dich warnen, Klaus redet nicht gern über die Zeit auf dem Mond. Die meisten seiner Freunde sind bei der Explosion, dem Putsch und den Säuberungen umgekommen. Aber für die hiesige Szene ist er eine Bereicherung. Er ist der einzige tschechische Lunarier, ein Nationalheld. Daher lässt ihm der Prager Stadtrat freie Hand. Klaus ist kein spießiger Gerontokrat, er hat eine Menge durchgemacht. Mit ihm konnte man Pferde stehlen.«
    »Wegen mir brauchst du nicht deutsch zu sprechen«, meinte Klaudia schmollend.
    »Deutsch ist kein Problem! Dort drüben sitzt ein Skipetare, der jemanden sucht, der Gegisch spricht. Gegisch oder Toskisch.«
    »Wo kommt er her?«
    »Aus Tirana.«
    Klaudias Miene hellte sich ein wenig auf. »[Ich mag Skipetaren]«, sagte sie auf deutsch. »[Sie sind so industriell und romantisch. Was macht er so?]«
    »VR«, antwortete Eugene.
    »[Prima].« Klaudia erhob sich und ging weg.
    Maya klopfte auf den freien Platz. »Komm, setz dich zu mir.«
    Eugene rückte vorsichtig näher.
    »Erzähl mir von der Frau, die das Wandbild gemacht hat.«
    »Woher weißt du, dass es von einer Frau stammt?«
    »Das sehe ich einfach.«
    Eugene blickte zur Wand, deren Bewegung sich sogleich verlangsamte. »Das ist ein automatisches Zelldisplay. Offenbar aus den Sechzigern. Ich hoffe, sie hat es solide gebaut, denn eine so alte Plattform zu reparieren, ist ziemlich schwierig.«
    »Es ist wunderschön, findest du nicht? Dieser Trick hat mich fast wütend gemacht, bis mir klar geworden ist, was sie damit sagen wollte.«
    Eugene kratzte sich am Kopf. »Da muss ich passen. Das geht über meinen Horizont. Paul weiß bestimmt darüber Bescheid, Paul ist ein Gelehrter.«
    »Wer ist Paul?«
    Eugene lächelte zurückhaltend. »Paul macht die Gesetze der Szene. Weißt du, ich hab’s nicht gern, wenn man mir vorschreibt, was ich denken soll. Für Ideologie hab ich nichts übrig. Aber Paul vertraue ich. Und ich glaube, Paul vertraut mir.«
    »Ist Paul zufällig hier? Stellst du mich ihm vor?«
    »Klar.«
    Eugene geleitete sie durch die Bar. Ein halbes Dutzend Leute drängten sich um einen muskulösen rothaarigen jungen Mann in einem auffallenden Display-Anzug. Auf der Jacke war ein eindrucksvolles Satellitenbild des nächtlichen Prag abgebildet, beleuchtete Straßen zogen sich über das schwarze Revers und beide glänzende Ärmel. Er gab gerade auf französisch eine amüsante Anekdote zum Besten. Die hingerissenen Zuhörer lachten laut, vermischt mit den geselligen Lauten, wie sie Insider-Witze begleiten.
    Maya wartete geduldig, bis die Geschichte in unverständlichem Kauderwelsch endete. Dann ergriff sie eilig das Wort. »Ciao, Paul! Würde es dir etwas ausmachen, englisch zu sprechen?«
    Der Rothaarige kratzte sich im Bart. »Ich schätze die englische Sprache durchaus, aber Paul sitzt dort am Tischende, Schätzchen.«
    »Oh.«
    »Mach das nicht wieder, okay?«, murmelte Eugene. Er geleitete sie an einem Durcheinander von Beinen und Getränken vorbei.
    Paul war dunkelhaarig, untersetzt, glattrasiert und in eine Unterhaltung mit einer hakennasigen Frau mit schwarzem Pony und ungeschminkten Lippen vertieft. Paul hantierte mit einer übergroßen Serviette. Das quadratische Tuch besaß anscheinend ein Eigenleben. Es zuckte und wand sich und wollte offenbar Pauls Unterarm hinaufklettern.
    »Ich hol dir was zu trinken«, flüsterte Eugene.
    »Ein Mineralwasser? Danke.« Maya setzte sich auf die Sofakante und hörte zu, wie Paul und die dunkelhaarige Frau in fließendem Italienisch über das funkelnde, eigenwillige Tuch plauderten.
    Paul trug graue Stoffhosen und ein

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