Heiliges Feuer
vor dem Durchbruch stand. »Benedetta, bleib hier.«
Benedetta war verblüfft. Sie blickte Maya unmittelbar in die Augen. »Weshalb sollte ich?«
Maya senkte die Stimme. »Kannst du ein Geheimnis wahren?«
Benedetta runzelte die Stirn. »Was für ein Geheimnis?«
»Ein Programmiergeheimnis.«
»Was weißt du schon vom Programmieren?«
Maya beugte sich vor. »Nicht viel. Aber ich brauche einen Programmierer. Weil mir ein Erinnerungspalast gehört.«
Benedetta nahm wieder Platz. »Tatsächlich? Ein großer?«
»Zweimal ja.«
Benedetta beugte sich vor. »Illegal?«
»Wahrscheinlich.«
»Wie kommt eine wie du an einen illegalen Erinnerungspalast?«
»Was glaubst du denn, wie eine wie ich an einen illegalen Erinnerungspalast kommt?«
»Ich spekuliere nicht gern«, sagte Benedetta und spitzte die Lippen. »Soll ich raten? Als Gegenleistung für sexuelle Gefälligkeiten.«
»Nein, bestimmt nicht! Na ja ... Ja, irgendwie schon. Könnte man so sagen.«
»Dann wollen wir mal deinen Palazzo aufsperren und einen Blick hineinwerfen.« Benedetta wickelte sich das Tuch energisch um den Hals. Es zuckte ein wenig, dann leuchtete es in einem goldfarbenen und braunen Muster auf. Benedetta ergriff ihr kleines Notebook und die mit Zierknöpfen besetzte Handtasche. »Wir ziehen uns besser hinter die Bar zurück, dort ist es diskreter.«
»Du hast so viel Geduld mit mir, Benedetta. Ich möchte nicht aufdringlich sein.«
Benedetta starrte sie eine Weile an, dann senkte sie den Blick. »Schon gut. Ich war unhöflich. Tut mir Leid. Ich werde mich bessern. Können wir?«
»Ich nehme deine Entschuldigung an.« Maya erhob sich. »Gehen wir.«
Benedetta führte sie in eine besonders blau ausgeleuchtete Nische hinter der langgestreckten Mahagonibar. Jemand hatte auf dem Tisch Blutproben untersucht. Zerknüllte Chromatogramme und ein Moskito mit Diamantrüssel lagen auf dem Tisch.
Benedetta wischte den Abfall beiseite, stellte das Notebook ab und zog die Antenne heraus. »So. Was brauchen wir noch? Handschuhe? Brille?«
»Ich brauche einen Touchscreen für mein Passwort.«
»Einen Touchscreen! Muss wohl Schicksal sein, dass ich meinen Furoshiki dabeihabe.« Benedetta riss sich das Tuch herunter, legte es auf den Tisch und strich glättend darüber. »Damit wird es gehen. Er ist aus Japan. Die Japaner lieben seltsame Geräte.« Sie steckte einen Zipfel des reglosen Tuchs ins Notebook, worauf das Tuch plötzlich das strahlende Weiß einer Eierschale annahm.
»Einen Furoshiki habe ich noch nie gesehen.« Maya beugte sich über den Tisch. »Davon gehört allerdings schon ...« Das intelligente Tuch bestand aus einem dichten Geflecht optisch leitender Fäden, organischer Schaltkreise und piezoelektrischer Faser. Die hauchdünnen optischen Fäden sonderten winzige farbige Lichtpixel ab. Ein gewebter Bildschirm. Ein biegsamer Stoffcomputer.
Benedetta öffnete die Handtasche, holte eine exquisite italienische Designerbrille hervor und setzte sie auf.
»Die ist toll«, sagte Maya.
»Brauchst du Brille und Handschuhe? Da bist du hier richtig. Am besten fragen wir mal Bouboule. Bouboule können wir vertrauen. Einverstanden?«
»Ich denke schon.«
Benedetta schloss die Brille an und tippte in paar Befehle in die Luft. »Du wirst Bouboule mögen«, meinte sie. »Jeder mag Bouboule. Sie ist reich, großzügig, komisch, promiskuitiv und zeigt den Bullen gern eine lange Nase. Mit vierzig ist sie tot.«
Benedatta streichelte die Notebooktasten. Dann fixierte sie Maya über den Tisch hinweg. Mayas farbiges Ebenbild erschien auf dem Tuch.
»Das Wunder der Heiligen Veronica!«, scherzte Benedetta. »Zeig mir mal die Passgeste.«
»Die ist ein großes Geheimnis. In der Beziehung bin ich vorsichtig. Das wirst du doch wohl verstehen, Benedetta.«
»Du bist sehr hübsch«, meinte Benedetta bedächtig, blickte auf den Bildschirm und tippte etwas. »Du solltest nicht so hübsch sein und mich nicht so sehr unter Druck setzen.«
»Mein Aussehen ist eine Frage der Technik. Du bist hübsch. Wenn du möchtest, sorge ich dafür, dass du richtig lebendig aussiehst.«
»Ich hasse Körperverschönerung«, sagte Benedetta und ließ die Finger kundig über die Tasten gleiten. »Jetzt, da Frauenkörper ewig in Form bleiben, ist es noch schlimmer geworden. Wir Frauen sind so sehr weiblicher Körper, dass es geradezu tödlich ist, wir müssen sogar in Schönheit sterben. Selbst Paul ... er unterhält sich mit mir über irgendein theoretisches
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