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Heiliges Feuer

Heiliges Feuer

Titel: Heiliges Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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festhalten, wie wir vorgehen wollen, dann könnten wir es morgen lesen. Paul würde uns helfen. Paul ist in Ordnung, er ist klug, er hat Freunde und verfügt über Einfluss, er mag mich. Wir heiraten, verlassen die Stadt, gehen nach Böhmen. Wir legen einen Garten an und arbeiten mit Ton. Wir werden ganz neue Menschen sein und miteinander auf dem Land leben, und wir werden auf ewig außerhalb der Gesellschaft stehen!«
    Er war erfüllt von leidenschaftlicher Begeisterung und aufrichtig überzeugt von seinem Plan, und sie hätte sich von ihm gern mitreißen lassen, als sie vom schwarzen Blitz des Misstrauens getroffen wurde und ihr auf einmal bewusst wurde, dass er dieses Angebot auch schon anderen Frauen gemacht hatte.
     
    Als sie am Morgen erwachte, war Emil verschwunden. Es roch nach Blut. Ihr Blut hatte sich im ganzen Bett verteilt. Sie stand auf, stopfte sich einen Lappen in den Slip, zog ein Kleid an und bereitete eine Schmerztinktur. Sie trank den Aufguss, dann zog sie das Bett ab, drehte die verschmutzte Matratze um und legte sich erschöpft wieder hin.
    Gegen Mittag wurde an der Tür geklopft. »Geh weg«, stöhnte sie.
    Der Schlüssel klirrte im Schloss, und die Tür ging auf. Es war Paul.
    »Ach, du bist es«, stieß sie hervor. »Ciao, Paul.«
    »Guten Tag. Darf ich reinkommen?« Paul trat ins Atelier. »Wie ich sehe, lebst du noch. Das ist eine ausgezeichnete Neuigkeit. Bist du krank?«
    »Nein. Ja. Nein. Wie soll ich mich ausdrücken? Ich bin unpässlich.«
    »Das ist schon alles? Mehr nicht? Na gut.« Paul lächelte kurz. »Ich verstehe.«
    »Wo ist Emil?«
    »Tja«, meinte Paul ausweichend. »Lass uns drüber reden, okay? Du heißt Maya, nicht wahr? Wir haben uns beim letzten Monatstreffen im Tete kennengelernt. Du warst in Begleitung einer Modedesignerin, die sehr high war und sich mit Niko angelegt hat.«
    »Das tut mir Leid.«
    »Hast du schon gegessen?«, fragte Paul und ließ den Rucksack neben dem Brennofen zu Boden gleiten. Er strich sich das dunkle Haar mit beiden Händen zurück. »Ich habe heute noch nichts gegessen. Lass uns etwas kochen. Die Küche ist ja anscheinend gut bestückt. Wie wär’s mit Gulasch?«
    »Bloß nicht.«
    »Ein wenig Kascha. Etwas Leichtes, Nahrhaftes.« Paul ließ Wasser in einen Topf laufen. »Wie lange kennst du unseren guten Freund schon?«
    »Ich wohne hier seit dem Abend im Tete.«
    »Drei Wochen mit Emil! Du bist eine tapfere Frau.«
    »Ich bin nicht die erste.«
    »Du hast hier einiges verändert«, sagte Paul und ließ den Blick durchs Atelier schweifen. »Ich bewundere deine Hingabe.
    Emil braucht viel Zuwendung. Er hat mich heute Morgen angerufen. Er war sehr aufgeregt. Ich bin gleich mit dem Express von Stuttgart hergekommen.«
    »Ach so.« Maya zog die Bettdecke über die Knie hoch. »Er meinte, du wärst ein guter Freund von ihm. Er hält große Stücke auf dich.«
    »Tatsächlich? Das ist ja rührend. Dass Emil mich anruft, damit war zu rechnen. Schließlich hat er sich meine Netzadresse auf den Unterarm tätowiert.«
    Sie blinzelte überrascht. »Die Tätowierung ist mir gar nicht aufgefallen.«
    »Sie ist sehr unauffällig. Die Tätowierung wird nur dann sichtbar, wenn er sehr aufgeregt ist.«
    »War Emil heute Morgen aufgeregt?«
    Paul schüttete gelbes Pulver in eine Pfanne. »Er hat mich aufgeweckt und mir gesagt, in seinem Bett liege eine Fremde im Sterben. Vielleicht sei sie auch schon tot. Ein Inkubus. Ein Golem. Er war völlig konfus.«
    »Wo ist er jetzt?«
    »Er entspannt sich in der Sauna. Schwartz kümmert sich um ihn. Ich rufe ihn mal an. Einen Augenblick.« Paul löste das Netzgerät von seinem Kragen und sprach auf deutsch hinein, während er behutsam in der Pfanne rührte. Paul war einfühlend, dann komisch, dann autoritär, dann leicht ironisch. Als Paul den Sinn und die Ordnung des Universums wiederhergestellt hatte, klemmte er sich das Telefon wieder an den Kragen.
    »Du solltest auf deinen Flüssigkeitshaushalt achten«, sagte er. »Wie wär’s mit einem Mineralka? Vielleicht mit zweihundert Mikrogramm Enkephalin und einem harntreibenden und entspannenden Mittel. Das würde dir gut tun.« Er öffnete seinen Rucksack und holte einen Beutel mit Reißverschluss hervor. Darin verwahrte er ein ganzes Arsenal von Pflastern und luftdicht verschlossenen Kapseln.
    »Hast du beim Hereinkommen geglaubt, ich wäre tot, Paul?«
    »Möglich ist alles.« Paul öffnete einen Schrank, nahm Löffel und Schüsseln heraus. »Ich wollte einfach als

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