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Heiliges Feuer

Heiliges Feuer

Titel: Heiliges Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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ist! Ein Mann, den es kaum gibt!«
    »Emil, jetzt hör mir mal zu!«
    »Habe ich dich jemals gebeten, mir treu zu sein? Niemals! Ich habe dich bloß gebeten, mich nicht zu erniedrigen. Ich habe dir alle Freiheit gelassen - nimm dir ein Dutzend Liebhaber, nimm dir hundert! Du darfst es mir bloß nicht sagen. Aber du musst es mir sagen, nicht wahr? Du musst meine Illusionen mit diesem ... diesem letzten schändlichen Geständnis zerstören.«
    »Emil, hör auf! Du bist kindisch.«
    »Nenn mich nicht kindisch, du Flittchen! Ich bin doppelt so alt wie du!«
    »Nein, das bist du nicht, Emil. Jetzt sei mal still! Ich bin viel, viel älter als du. Ich bin alt, eine alte Frau. Ich heiße Mia Ziemann und bin fast hundert Jahre alt.« Sie brach in Tränen aus.
    Emil verschlug es die Sprache. Es entstand ein unangenehmes Schweigen. Nach und nach wich Emil bis an die Bettkante zurück.
    »Das soll wohl ein Scherz sein, oder was?«
    »Nein, ich scherze nicht. Ich bin vierundneunzig Jahre alt - oder fünfundneunzig -, und ich bin anders als du. Ich habe mich einer radikalen Verjüngungsbehandlung unterzogen. Erst vor wenigen Monaten. Dadurch bin ich so geworden, wie ich bin, und ich bin dabei zerbrochen und zu einem Außenseiter geworden.«
    »Du hast mich nicht betrogen?«
    »Nein! Emil, dein Verdacht ist an den Haaren herbeigezogen! Ich sage dir die Wahrheit. Kapier das endlich.«
    »Du willst behaupten, du wärst hundert Jahre alt. Obwohl du ganz offensichtlich um die zwanzig bist.«
    »Ja.«
    »Aber du bist keine alte Frau. Mit alten Weibern kenne ich mich aus. Ich habe sogar schon mit alten Weibern geschlafen. Du magst alles Mögliche sein, meine Liebe, aber eine alte Frau bist du nicht.« Er seufzte. »Du hast irgendwas genommen. Du bist high.«
    »Falls ich high bin, dann allenfalls von neo-telomerischer dissipativer Zellentgiftung, und glaub mir, verglichen mit dem harmlosen Tinkturendope, mit dem ihr Kids herummacht, ist das ein echter Hammer.«
    »Willst du behaupten, du wärst eine Gerontokratin? Weshalb bist du dann nicht in deinem behaglichen Penthouse und lässt dich von hundert Scannern überwachen?«
    »Weil ich die Scanner abgelegt und die Stadt verlassen habe, deshalb. Ich habe erst sämtliche Verträge für eine sehr weitgehende Behandlung unterzeichnet und dann gegen sämtliche Gesetze verstoßen. Ich bin ohne zu bezahlen nach Europa geflogen. Ich bin auf der Flucht. Ich bin eine Illegale und habe mich aus einem Forschungsprogramm abgesetzt. Und irgendwann wird man mich schnappen, Emil. Ich weiß nicht, weshalb ich das getan habe. Ich weiß nicht, was mit mir los ist.« Sie schluchzte bitterlich.
    Er wartete eine Weile, und als er weitersprach, hatte sich sein Tonfall verändert. Jetzt klang er eigenartig verstört. »Warum erzählst du mir das?«
    Sie war zu gefangen in ihrem Schmerz, um fortzufahren.
    Er wartete wiederum, dann wechselte er abermals den Tonfall. Jetzt klang er neugierig, verblüfft. »Was soll ich jetzt mit dir anfangen?«
    Sie heulte laut.
    »Ich glaube, jetzt begreife ich«, sagte Emil abschließend. »Du bist ein richtiger Freak, hab ich Recht? Du bist ein kleiner Vampir! Du nährst dich von mir! Von meinem Leben und von meiner Jugend! Du bist eines dieser Fabelwesen, wie sie in Büchern vorkommen. Ein kleiner ... blutsaugender ... posthumaner ... dämonenhafter ... Inkubus!«
    »Hör auf! Schluss damit! Sonst bringe ich mich um!«
    »So etwas kann auch nur in Prag passieren«, erklärte Emil bedächtig und voller Genugtuung. »Nur hier in der Goldenen Stadt. In der Stadt der Alchemisten. Du hast mir da eben eine sehr, sehr seltsame Geschichte erzählt. So seltsam, dass man sie fast nicht glauben möchte! Hat man sowas schon mal gehört! Irgendwie bin ich stolz, ein Tscheche zu sein.«
    Sie wischte sich mit dem Lakenzipfel die strömenden Tränen ab. »War das alles?«
    »Ich bin doch in dieser Geschichte das Opfer, oder? Ich bin das Opferlamm. Ich bin das Spielzeug eines sexuellen Golems. Also, das ist wirklich erstaunlich ... das ist geradezu mystisch ... Es ist so dunkel und seltsam und erotisch.« Er blickte sie an. »Weshalb hast du ausgerechnet mich ausgewählt?«
    »Ich mochte ... ich mochte einfach deine Hände.«
    »Das ist wirklich erstaunlich.« Emil rückte das Kissen zurecht. »Du kannst jetzt aufhören zu weinen. Mach schon, hör auf!« Er lehnte sich zurück und faltete die Hände auf seiner behaarten Brust. »Ich werd’s auch niemandem sagen. Deine grauenhaften Geheimnisse

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