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Heiliges Feuer

Heiliges Feuer

Titel: Heiliges Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Kuh!«
    »Es wundert mich, dass du dich überhaupt an ihren Namen erinnerst.«
    Emil funkelte sie an. »Eine Geliebte zu vergessen, ist betrüblich. Eine Tragödie. Aber einen Feind zu vergessen, wäre eine tödliche Dummheit! Sie ist ein Bulle! Und ein Spion! Und eine Gerontokratin! Sie ist eine Bourgeoise, ein Philister! Ein fetter, reicher Privatier! Und obendrein ist sie noch meine Vermieterin! Als wenn das nicht schon schlimm genug wäre!«
    »Du hast Recht, Vermieterin im Verein mit all diesen sozialen Funktionen ist ziemlich stark.«
    »Sie spioniert mir nach! Sie schwärzt mich beim Gesundheitsamt an. Sie wiegelt meine Freundinnen gegen mich auf.« Er legte die Stirn in Falten. »Habt ihr euch unterhalten? Was hat sie gesagt?«
    »Wir haben uns nicht richtig unterhalten. Sie hat mir bloß ein paar Gutscheine gegeben. Schau mal, damit kann ich ein Fahrrad mieten. Und auf dieser Chipkarte ist das Prager Netzverzeichnis auf englisch gespeichert. Ich bin gespannt, was für Fotostudios darin aufgeführt sind.«
    »Das ist alles Blödsinn. Wertlos! Kommerzielle Lockangebote!«
    »Wann hast du ihr eigentlich zum letzten Mal Miete gezahlt? Ich meine, wie schaffst du es, daran zu denken?«
    »Oh, selbstverständlich zahle ich Miete. Natürlich zahle ich! Glaubst du etwa, die Najadova ließe mich aus reiner Nächstenliebe hier wohnen? Ich bin sicher, sie erinnert mich rechtzeitig daran.«
    Maya kochte. Sie aßen. Emil war immer noch aufgebracht. Der vertane Morgen und der Streit mit der Vermieterin hatten ihn aus der Bahn geworfen. Sein Haar sah jetzt viel hübscher aus, doch Emil war Verschönerungsmaßnahmen gegenüber weitgehend resistent. Den Abend verbrachte er damit, in seinem Werkverzeichnis zu blättern. Das war kein gutes Zeichen.
    Maya fiel es schwer, den Streit zu vergessen - er hatte an ihren Nerven gezerrt. Im Laufe des Abend wurde sie immer reizbarer. Sie war unstet, nervös. Sie empfand eine eigenartige Anspannung.
    Ihre Brüste schwollen an und schmerzten. Dann auf einmal dämmerte es ihr. Es war so lange her, dass es ihr beinahe wie eine Krankheit vorkam. Sie war im Begriff, ihre erste Periode seit vierzig Jahren zu bekommen.
    Sie legten sich ins Bett. Der Sex zerstreute ihre schlechte Stimmung, doch anschließend kam sie sich vor, als habe man sie mit Sandpapier bearbeitet. Allmählich wurde ihr klar, dass ihr eine schwere Zeit bevorstand und nicht bloß eine Unterbrechung der erotischen Lustbarkeiten. Das Ereignis, das ihren Körper beschlich, bedeutete eine Art Rache und war postfraulicher und medizinischer Natur. Ihre Augenlider waren geschwollen, ihr Gesicht fühlte sich wächsern und aufgedunsen an, und im Beckengürtel baute sich ein Schmerz auf. Ihre Stimmung schwankte stark. Sie hatte das Gefühl, mit jedem Atemzug entweder in die Höhe katapultiert zu werden oder in die Tiefe zu stürzen.
    Emil schlief ein. Nach einer Stunde begann sie vor Verwirrung und Schmerzen lautlos zu weinen. Das Weinen half ihr in letzter Zeit sehr, die Tränen spülten jegliche Traurigkeit mit sich fort, wie klares Wasser über sauberen Sand. Als die Tränen versiegten, fühlte sie sich geistig sehr klar und körperlich matt.
    Sie schüttelte Emil wach, der friedlich an ihrer Seite schlummerte.
    »Liebling, wach auf, ich muss dir etwas sagen.«
    Emil erwachte, hustete, setzte sich im Bett auf und schaffte es anscheinend nur unter Mühe, seine Englischkenntnisse zu reaktivieren. »Was ist denn? Es ist spät.«
    »Du weißt doch noch, wer ich bin, oder nicht?«
    »Du bist Maya, aber wenn du mir jetzt etwas sagst, hab ich’s morgen vergessen.«
    »Ich will nicht, dass du dich daran erinnerst, Emil. Ich möchte es dir bloß sagen. Ich muss es dir sagen. Jetzt gleich.«
    Emil war mittlerweile hellwach geworden. Er stopfte den schweren Vorhang hinter das Kopfbrett des Bettes, sodass Mondschein und Straßenlicht ins Atelier fielen. Er sah ihr in die Augen. »Du hast geweint.«
    »Ja ...«
    »Und du willst mir ein Geständnis machen? Ja, das sehe ich ... Ich weiß es bereits. Ich erkenne die Wahrheit in deinen Augen ... Du hast mich betrogen!«
    Verwundert schüttelte sie den Kopf.
    »Nein, nein«, beharrte er und hob die Hand. »Sag nichts mehr! Leugnen ist zwecklos! Ein hübsches junges Mädchen und ein verrückter Spinner - niemand wäre leichter zu betrügen! Ich weiß - ich habe einer Frau nichts zu bieten - weshalb sollte sie mir dann treu sein? Meine Arme, meine Lippen - was zählen die schon? Wenn Emil ein Gespenst

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