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Heillose Zustände: Warum die Medizin die Menschen krank und das Land arm macht (German Edition)

Heillose Zustände: Warum die Medizin die Menschen krank und das Land arm macht (German Edition)

Titel: Heillose Zustände: Warum die Medizin die Menschen krank und das Land arm macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Bartens
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Denn falls der Chef im OP steht, hat er meist wenig Übung. Woher auch? Manche Chefärzte sind nicht nur wegen ihres Kasernentons gefürchtet, sondern auch, weil das Team mehr blutstillende Klammern braucht. Geschickte Chefs überspielen ihre Mängel. Ein Operateur pflegte im OP-Saal immer das Skalpell an seine Oberärzte zu übergeben, wenn es schwierig wurde: »Der Rest ist Routine, machen Sie mal zu!«, sagte er, bevor er sich verabschiedete und den komplizierten Teil den Untergebenen überließ.
    Bemerkenswert auch der Chefarzt mit Parkinson. Keiner traute sich, ihm zu sagen, dass Zittern für Chirurgen nicht die optimale Eigenschaft ist. Es gab aber genug Privatpatienten, die auf der Chefarztbehandlung bestanden. Ihnen zum Trost sei gesagt: Bei zielgerichteten Bewegungen, etwa einem Schnitt mit dem Skalpell, lässt das Zittern etwas nach.
    Der Harvard-Mediziner Atul Gawande hat untersucht, warum die USA das teuerste Gesundheitswesen der Welt haben (Platz zwei und drei belegen die Schweiz und Deutschland). Der teuerste Distrikt des Landes liegt in McAllen, Texas. Dort werden 15000 Dollar pro Kopf und Jahr für Medizin ausgegeben. In dem Distrikt in Minnesota, in dem sich die legendäre Mayo-Klinik befindet, sind es nur 5000 Dollar pro Kopf. Der Unterschied besteht nicht darin, dass Menschen in Texas kränker wären. Das Teuerste in der Medizin ist der Stift des Doktors. In McAllen ließen sich die Ärzte auf einen finanziellen Wettbewerb ein. Ihre Ethik war nicht die des Hippokrates, sondern die des Profits. Die Ärzte belegten Kurse, um zu lernen, was sie anbieten könnten, und wie ihre Geräte ausgelastet waren, wie es sie in Deutschland auch längst gibt. Gesünder wurden die Patienten nicht, sie brachten nur mehr Geld ein.
    In der Mayo-Klinik gilt hingegen das Motto »Patientenbedürfnisse zuerst«. Das heißt nicht, dass Patienten alles bekommen, sondern dass sie von Untersuchungen und Therapien verschont bleiben, die sie nicht brauchen. Gawande hat die ärztliche Versorgung mit dem Bau eines Hauses verglichen. Man stelle sich vor, man engagiert keinen Architekten, sondern gibt dem Elektriker so viele Leitungen in Auftrag, wie er vorschlägt, dem Installateur so viele Klos und dem Fliesenleger alle Fliesen, die er für ratsam hält. Am Ende hätte man ein überteuertes Haus mit zwei Dutzend Toiletten, Licht an jeder Ecke, komplett gefliest, aber es würde nach kurzer Zeit zusammenkrachen – auch wenn der Elektriker in Harvard oder an einer deutschen Exzellenz-Uni ausgebildet wäre.
    Dabei macht es keinen Unterschied, von wem Elektriker oder Arzt bezahlt werden. Vielmehr muss sich jemand für das Ganze verantwortlich fühlen. Sonst entsteht ein System ohne Bremsen, ein System der Überversorgung, in dem aus Ärzten längst Geschäftsleute geworden sind. Ärzte brauchen wohl einen finanziellen Anreiz, damit es den Menschen gutgeht. Es gibt eine einfache Lösung, damit Patienten nur die Medizin bekommen, die sie benötigen, und nicht die, die ihnen auch schaden könnte: Im alten China wurden die Ärzte der Legende nach nur bezahlt, solange die Menschen gesund waren.

Abwarten und Tee trinken – keine Antibiotika bei Nebenhöhlenentzündung
    Eine Nebenhöhlenentzündung ist lästig. Patienten haben Schmerzen, ein Spannungsgefühl im Gesicht, sie fiebern und fehlen bei der Arbeit. Ärzte verschreiben in dieser Situation typischerweise Antibiotika. Nötig ist das nicht, denn die Medikamente lindern die Symptome nicht besser als Scheinpräparate. Zu diesem Ergebnis kommen HNO-Spezialisten und Kinderärzte immer wieder, wenn sie den Nutzen von Antibiotika untersuchen. [42]   »Patienten geht es nicht eher besser, und sie haben auch nicht weniger Symptome«, sagt HNO-Arzt Jay Piccirillo. »Die meisten Menschen werden auch ohne Antibiotika wieder gesund.« Das gilt auch für den Fall, dass die Beschwerden bereits eine Woche andauern.
    Ärzte aus St. Louis hatten Erwachsene untersucht, von denen eine Hälfte ein Antibiotikum bekam, die andere ein Placebo. Doch weder nach drei noch nach zehn Tagen Behandlung ging es Patienten mit Antibiotika besser. Um Tag sieben herum waren bei etwa 80 Prozent der Patienten in beiden Gruppen die ärgsten Beschwerden wieder verflogen. Die Patienten unterschieden sich auch nicht in der Häufigkeit, mit der sie zusätzlich Medikamente gegen die Schmerzen, das Fieber oder den Husten einnehmen mussten.
    In den USA wird jedes fünfte Antibiotikum gegen eine Entzündung der

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