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Heillose Zustände: Warum die Medizin die Menschen krank und das Land arm macht (German Edition)

Heillose Zustände: Warum die Medizin die Menschen krank und das Land arm macht (German Edition)

Titel: Heillose Zustände: Warum die Medizin die Menschen krank und das Land arm macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Bartens
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Analogie zur weiblichen Menopause hätten manche Ärzte wohl eine seltsame Form der Gleichberechtigung der Männer angestrebt; »schnell wurde dann eine Beziehung zwischen den Testosteron-Werten und einer Vielzahl von Befindlichkeitsstörungen gesehen«. Die umfangreiche neue Studie zeige aber, so Reincke, dass es sich bei den Wechseljahren des Mannes »um reine Mythenbildung« handele.
    Männern, die sich schlapp fühlen, Testosteron zu geben, kann sogar gefährlich sein. Und auch bei niedrigen Werten ist zumeist eher der normale Alterungsprozess die Ursache und nicht eine Krankheit. Schon länger diskutieren Ärzte mögliche negative Auswirkungen der Hormone für Herz, Prostata und Fettwerte. »Der Nutzen einer Testosterongabe ist nicht belegt«, sagt Reincke. »Der unkritische Einsatz von Testosteron birgt unkalkulierbare gesundheitliche Risiken für die Männer.«

Schnarchen unter Aufsicht
    Die Medizin hat den Schlaf pathologisiert – verkabelt, mit Masken und Tabletten sollen die Menschen Ruhe finden. Ärzte haben sich des Schlafs bemächtigt und einen jahrtausendelang als selbstverständlich betrachteten Vorgang in seine Bestandteile zerlegt und für therapiebedürftig erklärt. Es gab schon immer Kinder, die schlecht in den Schlaf fanden oder die häufig nachts wach wurden. Seit ein paar Jahren spezialisieren sich überall im Land Kinderärzte auf junge Patienten mit Ein- und Durchschlafstörungen.
    Zunächst machte das Chronische Erschöpfungssyndrom Karriere. Passend zur Schlaflosigkeit in der Nacht gab es nun die medizinisch legitimierte Erschöpfung am Tag. Das Wort »Fatigue«, das mehr bedeuten soll als bloße Müdigkeit, kam in Mode. In einer Gesellschaft, die sich freiwillig den Schlaf entzieht, durch Schichtarbeit und Jetlag mutwillig physiologische Rhythmen der Menschen sabotiert, fanden diese Ruhestörungen schnell Anerkennung.
    Und in der Medizin taten sich Forschungsfelder auf, es gab Stellen und mehr Geld. Jede Uniklinik und viele andere Krankenhäuser verfügen heute über hochgerüstete Schlaflabore, in denen verkabelt und unter Videoaufsicht geschlafen wird, um Stoffwechsel, Atemfrequenz, REM-Phasen und Körperemissionen der Probanden in der Hitze der Nacht zu bestimmen. Regelmäßig finden üppig finanzierte Schlafkongresse statt, manche Ärzte begründen Schlafkampagnen und beraten Bettenhäuser; der freundliche Regensburger Psychologe Jürgen Zulley gilt sogar als »Schlafpapst«.
    Gleichzeitig wurden die bedrohlichen Folgen des Schlafmangels ausgemalt. Zu wenig Schlaf schwächt Immunabwehr, Wundheilung und Gedächtnis, macht anfällig für verstopfte Gefäße und gestörte Verdauung. Schlafmangel macht angeblich sogar dick – Bücher mit dem absurden Versprechen »Schlank im Schlaf« wurden zu Bestsellern.
    Die Diagnose Schlaf-Apnoe hat besonders rasant Karriere gemacht. Bezeichnet werden damit gelegentliche Atemaussetzer, die in seltenen Fällen tatsächlich gefährlich werden können. Bis zu eine Million Menschen sollen in Deutschland betroffen sein. Würde man alle Bundesbürger im Schlaflabor testen – ein Traum jedes Schlafforschers –, kämen wohl bei jedem beleibten Menschen ab dem 50. Geburtstag Warnhinweise auf Schlaf-Apnoe oder gar Symptome zum Vorschein. Die Industrie hält zur Vorbeugung und Therapie Masken bereit, die ins Gesicht geschnallt werden und das kontrollierte Atmen bei leichtem Überdruck in der Nacht ermöglichen sollen – aber ihren Trägern vermutlich erst recht die Nachtruhe rauben.
    Um immer mehr Bereiche des körperlichen, psychischen und sozialen Erlebens als kontroll- und therapiebedürftig zu erklären, müssen Risikofaktoren benannt werden. Eine Schwankung des Befindens wird so schnell zu einem Leiden, das behandelt werden muss. Typischerweise werden dazu normale Körpererfahrungen als krankhaft gedeutet – oder die Definition einer Krankheit wird ausgeweitet, bis milde und sogar beschwerdefreie Verläufe als »Prä-Erkrankung« gelten. Die Abgrenzung zwischen krankhaft und tolerabel ist ein Problem vieler Schlafstörungen. Natürlich gibt es Menschen, die so stark an ruhelosen Beinen, Erschöpfung oder Atemstillstand leiden, dass eine Therapie nötig ist. Doch die aggressiven Marketingkampagnen für die neuen Leiden am Schlaf haben dazu geführt, dass mittlerweile jeder unrhythmische Schnarcher als krankhaft gilt.
    Immerhin steigt der Gebrauch von Schlafmitteln nicht mehr. Offenbar hat sich herumgesprochen, dass »keine der pharmakologischen

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