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Heimat Mars: Roman (German Edition)

Heimat Mars: Roman (German Edition)

Titel: Heimat Mars: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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keine Umgangsformen hat.« Er setzte sich und stützte den Kopf in die Hände. »Ist vielleicht gar nicht so weit von der Wahrheit entfernt.«
    Ich rief Oriannas Privatnummer an und hinterließ ihr eine Nachricht. Nach zwei Stunden rief sie zurück, wir verabredeten ein Treffen in New York. Allen hatte eigene Pläne, er wollte nach Nepal fliegen.
    In der Stunde vor dem Aufbruch fühlte ich mich benommen und hatte Angst. Wie würde man uns auf dem Mars empfangen, wenn wir hier scheiterten? Was würden unsere Familien von uns denken? Falls Bithras stürzte, musste dann auch ich meine Karriere bei der BG Majumdar an den Nagel hängen?
    Durch meinen Entschluss, Bithras zur Erde zu begleiten, war ich in einen gewaltigen Nervenkrieg hineingezogen worden. Und es zeichnete sich deutlich ab, dass wir ihn verlieren würden. Es war mir zuwider, zwischen zwei Welten hin- und hergerissen zu werden. Ich hasste Macht und Autorität und das hautnahe, schweißtreibende Elend der Verantwortung. Vielleicht war ich an einem Scheitern von historischem Ausmaß beteiligt. Vielleicht brachte ich Schande über meine Eltern und meine Bindende Gruppe.
    Ich sehnte mich nach den kleinen Unterkünften und engen Tunneln des Mars. Und nach meiner Jugendzeit in beschränkten, aber sicheren Verhältnissen.
    Ich wusste, es gab größere, überfülltere Städte – aber die fünfzig Millionen Einwohner New Yorks bescherten diesem Karnickel eine ganz neue Art von Platzangst. Aus der Furcht vor dem Unbekannten wurde die Angst, schlicht und einfach einverleibt und geschluckt zu werden.
    Das fünfhundertdreiundzwanzig Jahre alte New York wirkte betagt und gleichzeitig jung. Als ich aus der Penn Station ans Tageslicht trat, umgaben mich Menschen in allen Farben, mehr Menschen, als ich je im Leben an einem Ort gesehen hatte. Ich blieb an einer Ecke stehen und sah zu, wie sie in Scharen durch den kalten Wind und Graupelschauer dahinströmten.
    Was Grundriss und Stadtplan betraf, hatte New York viel Ursprüngliches seiner Architekturgeschichte bewahrt. Allerdings gab es kaum ein Gebäude, das nicht umgebaut oder durch einen Neubau ersetzt worden war. Die Nano-Architektur hatte sich durch Verstrebungen und Wände gearbeitet, bis hinunter zum Boden und den uralten Fundamenten. Sie hatte Drähte und Leitungen herausgerissen, Wasser- und Abwasserrohre verlegt und Gebäude hinterlassen, die in den ursprünglichen oder verbesserten Materialien neu angelegt worden waren und eine veränderte Infrastruktur aus Metall, Keramik oder Plastik aufwiesen. Anscheinend war nichts als Gesamtwerk gestaltet worden. Alles hatte man Stück für Stück – Straßenzug für Straßenzug, Gebäude nach Gebäude – zusammengesetzt, manches war sogar erst nachträglich und nur an einzelnen Stellen hinzugefügt worden.
    Und natürlich waren viele Gebäude, die ein New Yorker als neu betrachtete, in Wirklichkeit älter als jeder unterirdische Bau auf dem Mars.
    Auch die Menschen hatte man von innen heraus umgemodelt. So verwirrt ich war: Sie faszinierten mich. Neue Menschen in der alten Stadt New York: Mutanten, deren schwarze, weiße oder rosa Haut wie polierter Marmor glänzte. Mutanten, deren goldene, silberne oder azurblaue Augen im Vorübergehen aufblitzten (ihr durchdringender Blick wirkte freundlich und gleichzeitig provozierend). Designer-Körper, die man einen Monat oder ein Jahr lang trug (das Fleisch wurde wie Ton geformt). Die jeweilige Gestaltung war Ausdruck des Status und der Gruppenzugehörigkeit. Manche Designer-Körper waren Ausdruck des Protestes und hässlich, andere mager und schlicht oder auch groß und stark – und sehr irdisch.
    Über der Straße funkelten Lichter, Roboter der Luft, die mich an die Feen in Kinder-Vids oder, noch phantastischer, an riesige Glühwürmchen erinnerten. Die Arbeitsroboter strömten in engen unter- und überirdischen Kanälen durch die Stadt. Programmierte Taxis fuhren in gläsernen Spuren, die in den Asphalt, Beton oder Nano-Stein der Straßen eingelassen waren.
    Was mich an New York am meisten faszinierte, war die Tatsache, dass New York funktionierte.
    Die meisten New Yorker hatten medizinisches Nano hinter sich, physische und psychische Therapie. Im großen und ganzen waren die Menschen dieser Stadt gesund. Allerdings patrouillierten nach wie vor Roboter des Gesundheitswesens auf den Straßen und suchten nach den wenigen Nicht-Therapierten, die selbst heute noch aus Nachlässigkeit oder aufgrund eines perversen Drangs nach

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