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Heimat Mars: Roman (German Edition)

Heimat Mars: Roman (German Edition)

Titel: Heimat Mars: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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war die letzten drei Tage mit einem Auftrag beschäftigt.«
    »Also, weck ihn auf!«
    »Mach’s doch selbst«, gab Kite zurück.
    »Ist mir ein Vergnügen.« Orianna sprang von ihrem Sessel auf und marschierte Richtung Gang. Wir hörten, wie sie gegen die Türen donnerte.
    »Sie könnte ihn ja auch einfach anrufen«, sagte Kite vorwurfsvoll und schüttelte den Kopf. »Manchmal ist sie wie ein Wirbelwind.«
    Ich gab ihm wortlos recht.
    »Aber sie ist wirklich goldig. Das weißt du sicher.«
    »Ich mag sie sehr«, antwortete ich.
    »Sie ist ein Einzelkind, das erklärt vieles«, fügte Kite hinzu. »Ich habe einen Bruder und eine Schwester. Und du?«
    »Einen Bruder«, sagte ich. »Und jede Menge Blutsverwandte.«
    Kite lächelte. Das Lächeln machte sein Gesicht überirdisch schön. Ich zwinkerte und wandte den Blick ab.
    »Nervt es dich, wenn dich jeder interviewen will?«
    »Allmählich hab ich’s satt.«
    »Weißt du, du solltest aufpassen, wen du berührst … wem du die Hand schüttelst und so weiter. Manche LitVids nehmen es mit der Privatsphäre nicht so genau. Sie könnten dir Wanzen anhängen.« Er legte Daumen und Zeigefinger aneinander, hielt sie hoch und spähte durch einen winzigen Spalt. »Manche Wanzen haben auch Mikros. Können sich überall verbergen.«
    »Ist das nicht verboten?«
    »Wenn du deine Privatrechte nicht rechtzeitig absicherst, können sie anführen, dass du eine Person des Öffentlichen Interesses bist. Dann bist du nur noch in ganz bestimmten Sphären geschützt, in denen die Überwachung prinzipiell verboten ist. Dort würden sie die Wanzen abschalten … meistens, jedenfalls.«
    »Ist doch Quatsch!«, röhrte eine tiefe Stimme. Als ich mich umdrehte, sah ich, wie Orianna einen sehr großen, stämmigen Mann mit sehr jungem Gesicht an einer Hand ins Zimmer zerrte. »Seit vier Jahren hat niemand eine Wanze ohne Genehmigung eingepflanzt«, sagte der Mann mit dem jugendlichen Gesicht. »Nicht, seit Wayne die L.A. PubEye verklagt hat.«
    »Casseia Majumdar vom Mars, dies ist Shrug. Er hat Jura studiert und fast so viele Erweiterungen hinter sich wie ich.«
    Shrug beugte ein Knie, ich blieb stehen. Auch wenn er kniete, reichte ich ihm kaum bis ans Kinn.
    »Ich bin entzückt«, sagte er und küsste mir die Hand.
    »Hör auf damit«, unterbrach ihn Orianna. »Sie ist meine Partnerin.«
    »Aber ihr kreuzt doch gar nicht«, sagte Shrug.
    »Wir sind Sim-Schwestern«, entgegnete Orianna.
    »Ach du meine Güte, so ein Bogen!«, sagte Kite und lächelte.
    Ich glaube, ich verstand nicht einmal ein Drittel dessen, was während meines Aufenthaltes in New York gesprochen wurde.
    Als wir wieder auf der Straße waren, hielt ich zuerst mit Shrug und Orianna, dann mit Orianna und Kite Händchen und ließ mich von ihnen irgendwohin, egal wohin, führen. Kite war wirklich anziehend und schien einem Flirt nicht abgeneigt. Wenn auch wohl eher, um Orianna zu ärgern, als mich zu beeindrucken, wie ich dachte. Mit meinem Kom hielt ich die Straßennamen und Hauptrichtungen für den Fall fest, dass ich allein den Weg zurück zur Penn Station finden musste. Der Speicher enthielt außerdem maßstabsgerechte Stadtpläne New Yorks und aller größeren Städte der Erde. Ich würde mich wohl kaum verlaufen. Es sei denn, irgend jemand klaute mir mein Kom … Orianna versicherte mir, in New York seien Diebe praktisch ausgestorben. »Schade«, sagte ich, weil ich sie necken wollte.
    »Na ja«, antwortete Orianna. »Aber das heißt nicht, dass es hier völlig ungefährlich ist. Wir müssen uns vor der Gefahr in acht nehmen, der wir uns freiwillig aussetzen.«
    »Ich möchte jetzt freiwillig Mittag essen«, warf Kite ein. »Es gibt hier ganz in der Nähe einen tollen alten Delikatessenladen. Total reaktionär.«
    Ihm fiel mein überraschter Gesichtsausdruck auf. »Reaktionär. Bedeutet retro, atavistisch, historisch. Inzwischen alles positive Modewörter, sind nicht negativ besetzt.«
    »Auf dem Mars bedeutet reaktionär etwas anderes«, sagte ich.
    »Die Leute, die das BG-System beibehalten wollen, nennt man reaktionär«, erklärte Orianna.
    »Bist du reaktionär?«, wollte Shrug von mir wissen.
    »Ich bin neutral«, antwortete ich. »Meine Familie hängt sehr an der Autonomie der BGs. Ich lerne immer noch dazu, bin offen.«
    Wir kamen an einer Familie schwarz gekleideter Chassiden vorbei, die wie ein Echo auf unser Gespräch wirkte. Die Männer trugen Hüte mit breiten Krempen und hatten lange dünne Schläfenlocken. Die

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