Heimat Mars: Roman (German Edition)
er. »Ich möchte nur nicht von ihr besessen werden.«
Ein Schauspieler in der Rolle eines Kellners räumte meinen Teller ab.
Der Omphalos {10} lag auf einem fünf Hektar großen Gelände am südlichen Rande Manhattans, nahe beim Battery Park, und wirkte ungeheuer eindrucksvoll. Er bestand aus einem Kubus, den kleinere Kuben umgaben, alle Gebäude waren strahlend weiß und hatten goldene Verzierungen.
Am Tor, das sich am äußersten Rand der Anlage befand, identifizierte sich Orianna via Handfläche und beantwortete einige Fragen, die ihr ein Roboter des Sicherheitsdienstes mit ausdrucksloser Miene stellte. Ein menschlicher Wächter nahm uns in Empfang und führte uns in ein Nebenzimmer. Dort setzte er sich hinter einen Schreibtisch und fragte, warum wir gekommen seien.
»Ich möchte gern ein persönliches Gespräch mit einer Bewohnerin führen«, antwortete Orianna. Ich sah sie überrascht an, da sie vorher nichts davon erwähnt hatte.
»Ich brauche Ihre echten Namen und Angaben zur Beschäftigung, ehe ich überhaupt eine Zutrittserlaubnis beantragen kann«, sagte der Wächter.
»Damit sind wir außen vor«, stellte Shrug fest. Kite nickte bestätigend. »Wir warten draußen.« Orianna versicherte, wir würden nicht länger als ein, zwei Stunden bleiben. Ein Roboter geleitete die beiden zum Eingangstor.
Der Wächter überprüfte schnell unsere Führungszeugnisse, insbesondere die Rubriken ›Verstöße gegen die öffentliche Sicherheit‹ und ›geistige Gesundheit‹. »Sie sind Marsianerin«, bemerkte er und sah mich an. »Sie benutzen keinen Kunstnamen.«
Ich bejahte.
»Versuchen die Erdenbürger, bei Ihnen Eindruck zu schinden?«, erkundigte er sich und deutete mit einem Nicken auf Orianna.
»Sind Sie selbst Marsianer?«, fragte ich zurück.
»Nein. Aber ich würde irgendwann gern mal dort hingehen.« Er wandte sich seinem Kom zu und nickte beifällig. »Ich habe Ihre Personalien und Bilder aus hundert verschiedenen LitVid-Quellen … Sie sind eine Berühmtheit. Alles klar. Willkommen bei Omphalos Sechs. Wir bieten Ihnen einen ersten Blick auf den Himmel. Bitte bleiben Sie bei dem Führer, den wir Ihnen zuteilen.«
»Welche Beziehungen hast du zu Qmphalos, abgesehen davon, dass dein Vater daran Anteile besitzt?«, fragte ich Orianna, während uns ein Roboter durch einen unterirdischen Gang zum Hauptkubus geleitete.
»Ich hab mir hier einen Platz reservieren lassen, für die Zeit nach meinem zweihundertsten Geburtstag«, antwortete Orianna. »Ich weiß nicht, ob ich ihn mal in Anspruch nehme. Vielleicht sterbe ich ja auch einfach …« Sie grinste mich an. »Jetzt hab ich leicht reden. Vielleicht werde ich ja auch ein Eloi und lande auf dem Mars oder auf dem Gürtel … Wer weiß schon, wie es später mal wird?!«
»Mit wem werden wir sprechen?«
»Mit einer Freundin.« Sie legte einen Finger auf die Lippen. »Das AUGE beobachtet uns.«
»Was ist das AUGE?«
»Der Denker des Omphalos. Hat ein sehr hohes Niveau. Ganz anders als Alice, glaub mir. Der beste Denker, den die Erde produzieren kann.«
Ich unterdrückte den Wunsch, Alice zu verteidigen. Zweifellos hatte Orianna recht.
Das Innere des Gebäudes war ähnlich eindrucksvoll wie das Äußere. Zwanzig Meter über einem kurzen Gehweg erhob sich ein Atrium. Der Gehweg endete an einem Fahrstuhlschacht, der sich bis zur Apsis des Atriums erstreckte und durch einen glitzernden schwarzen Teich nach unten führte. Wände aus Nano-Stein, Böden, die eine Isolierschicht von ein paar Dutzend Zentimetern hatten, jeden Druck von innen oder außen abfederten und aus aufgeladenen Feldern bestanden – und an jeder Ecke Reparaturwerkstätten. Konservativ und solide gebaut.
»Über uns sind die Wohnungen«, erklärte Orianna. »Mehr als zehntausend Menschen wohnen hier. Hundert Wohnungen sind voll eingerichtet. Für die Leute, die sich alle paar Wochen ein- und dann wieder ausklinken wollen. Die ›Ungebundenen‹, könnte man sagen. Die übrigen Einheiten sind Einzelzellen für Wärmeschlaf.«
»Sie verbringen ihre Zeit mit Träumen?«
»Mit ihren speziellen Sims und Fernwahrnehmung. Omphalos hat überall auf der Erde Androiden und Roboter, deren Sinneswahrnehmungen so hochaufgelöst sind wie bei Menschen. Omphalos hat auf alle jederzeit Zugriff, und schon ist man dort – schon sind sie dort. Die Bewohner können sich überall aufhalten, ganz nach Wunsch. Manche der Roboter können lebensechte Bilder des jeweiligen Bewohners projizieren und die Illusion
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