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Heimat Mars: Roman (German Edition)

Heimat Mars: Roman (German Edition)

Titel: Heimat Mars: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Und die Furcht vermischte sich mit dem elementaren Drang, mich auf jede nur mögliche Art mit anderen zusammenzuschließen – mit Kite und jedem der Anwesenden.
    Vorsichtig ausgedrückt, war es eine wüste Klamotte. Aber nie zuvor hatten mich von außen aufgezwungene Emotionen derart heftig überschwemmt, selbst in Oriannas Sim nicht. Die Emotionen spielten in meinen Gehirnwindungen wie auf einem Keyboard.
    »Ich glaube, ich weiß, was als nächstes passiert«, sagte Kite.
    »Oh?«
    Alle Anwesenden tauchten in unserem Umkreis auf. Sie schwebten im Raum.
    »Voll im Trend«, versicherte Kite.
    Der Mann mit der Goldhaut kam in unser Blickfeld, er befand sich im Mittelpunkt unseres Hundert-Seelen-Reiches. »Endlich sind wir alle angekommen, unsere Zahl reicht aus. Jetzt müssen wir Teams bilden, uns zu Familien zusammentun und entsprechendes Vertrauen entwickeln. Sind wir darauf vorbereitet?«
    Alle, auch ich, bejahten. Ich war ausgezeichnet darauf vorbereitet – meine Nerven vibrierten vor Aufregung und Neugierde.
    »Jetzt wollen wir uns zu Familien zusammenschließen.«
    Auf einen Wink des goldenen Mannes hin legten sich hell leuchtende rote Lichtkreise um Gruppen von jeweils zwanzig Personen. Unsere Kleider verschwanden. Mutanten nahmen wieder ihre natürliche Form an (oder zumindest das, was die Steuerung – ein Denker mit beträchtlicher Kapazität, wie ich annahm – dafür hielt). Bis auf unsere Nacktheit veränderten Kite und ich uns nicht.
    Wir verschränkten die Arme miteinander und schwebten in einem Kreis umher, wie Fallschirmspringer in freiem Fall.
    »Der erste Schritt«, verkündete der goldene Mann, »besteht in der Vereinigung. Und die klappt am besten, wenn ihr tanzt und eure natürlichen Energien, eure natürliche Sexualität miteinander verbindet.«
    Es war eine Orgie.
    Ich war so gut darauf vorbereitet – und ein Teil von mir wollte sich auch wirklich vereinigen, insbesondere mit Kite –, dass ich mich nicht dagegen wehrte. Die Steuerung wusste genau, wie sie unsere sexuellen Instinkte wecken konnte, und diesmal kam mir der Sex ganz real vor, ganz anders als in Oriannas Simulation. Mein Körper glaubte wirklich, dass ich mit jemandem kopulierte. Allerdings widersprach eine innere Stimme ganz leise und sagte mir, es sei keine reale Erfahrung.
    Das Erlebnis weitete sich aus, alle unsere Gedanken verbanden sich miteinander. Die Simulation brachte unsere Körper dazu, sich in einem Tanz zu bewegen, der unsere Gefühle ausdrückte. Während wir tief in die alternative Realität eintauchten, waren wir uns gleichzeitig dessen bewusst, dass wir tanzten und dass dieser Tanz unsere besten physischen Fähigkeiten freisetzte. Ich habe mich selbst nie für eine gute Tänzerin gehalten. Aber das spielte hier keine Rolle, ich fügte mich völlig ein und fühlte mich wunderbar.
    Wir alle verbanden die Kraft unserer fiktiven Charaktere miteinander und blickten auf die zerbrechliche, bedrohte Erde hinunter. Wir liebten sie mit einer Intensität, wie ich sie noch nie empfunden hatte, nicht einmal innerhalb meiner Familie. Es war ein plötzliches Gefühl von Ehrfurcht und von Abhängigkeit, wie in einem Traum. Ich war bereit, alles zu tun, alles zu opfern, um die Erde zu retten …
    Allerdings war da die ganze Zeit auch ein winziger Rest von Individualität in mir. Und dieser Rest fragte sich beiläufig, ob es sich bei diesem Erlebnis nicht um genau das handelte, was die Erde dem Mars antun wollte: uns benutzen. Macht bei einer gigantischen Orgie mit, um die Zukunft zu retten. Denkt euch nichts weiter dabei. Dieses reservierte ICH stampfte ungeduldig mit dem Fuß auf und hielt diese maßlose Liebe zur Erde für das Ergebnis von Manipulation … von Propaganda.
    Aber es war wirkungsvolle Propaganda, die mir großen Spaß machte. Als sich die Gruppensimulation ihrem Ende näherte und unser Tanz langsamer wurde, als die Illusion allmählich der Wirklichkeit wich und wir zu vollem körperlichen Bewusstsein zurückfanden, fühlte ich mich befriedigt und sehr müde.
    Wir hatten die Zukunft, die Erde, die Sonne gerettet, die bösen Chakras besiegt. Und dabei hatte ich mich mit allen Partnern verbunden. Ich kannte ihre Namen, ihre individuellen Charakterzüge, ja sogar intime Einzelheiten ihres Alltags. Wir lächelten, lachten und umarmten einander auf dem weitläufigen Tanzboden. Die Lichter gingen an. Es spielte Musik, zu der abstrakte Projektionen um uns herumwirbelten.
    Wir hatten viel zusammen durchgemacht. Ich hatte

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