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Heimat Mars: Roman (German Edition)

Heimat Mars: Roman (German Edition)

Titel: Heimat Mars: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Höflichkeit tarnte, in der Wärme und Sicherheit unserer eingeschränkten Räumlichkeiten, unserer Karnickelbauten. Wir waren wirklich Karnickel.
    Die jetzt verblassende Simulation hatte bei mir einen starken Eindruck davon hinterlassen, wie man sich in der leidenschaftlichen Umklammerung der Erde fühlte. Der Patriotismus – Planetismus –, den man hier empfand, war uralt und der jugendlichen Spielart von Patriotismus auf dem Mars mehr als ebenbürtig. Ich bekam eine Gänsehaut.
    Der Wolf, die Erde, konnte uns ganz schnell fressen. Und brauchte dazu keine Rechtfertigung, außer den eigenen Appetit.
    Zwei Tage später erhielten wir unsere Einladungen, die in Wirklichkeit Anweisungen waren. Wir würden mit den Senatoren Mendoza und Wang ein geheimes Treffen auf neutralem Boden abhalten: in Richmond, Virginia, weitab von der angespannten Atmosphäre der politischen Achse Washington.
    Diese Stadt hatte man wohl nicht zufällig gewählt: Vor mehr als dreihundert Jahren, während des Amerikanischen Bürgerkriegs, war Richmond die Hauptstadt der Konföderation gewesen. Heute war Richmond eine elegante, gut erhaltene Stadt mit drei Millionen Einwohnern, die seit fast neunzig Jahren das Forschungszentrum für optimierte menschliche Entwicklung darstellte.
    »Schicken die uns irgendwelche hintersinnigen Botschaften?«, fragte Allen, als wir uns im Wohnzimmer der Suite versammelten. Eine Projektion des Treffpunkts in Richmond, des Thomas Jefferson Hotels, schwebte über dem Kaffeetisch. Das Hotel war ein schmuckloses graues Steingebäude in pseudogriechischem Stil.
    Bithras sah uns mürrisch aus müden Augen an. Er war den ganzen Abend aufgeblieben und hatte mit dem Mars kommuniziert. Die Übermittlung hatte bei jeder Nachricht fast acht Minuten gedauert, das bedeutete eine Verzögerung von fast sechzehn Minuten zwischen Sendung und Empfang. Er hatte uns noch keine Einzelheiten seiner Gespräche enthüllt. »Welche Botschaften?«, fragte er.
    Allen nickte mir zu. Erklär du ihm das.
    »Richmond war einst Symbol des unterlegenen Südens«, erklärte ich.
    »Südamerikas?«, fragte Bithras.
    »Der Südstaaten. Sie haben versucht, sich von der Union abzuspalten. Der Norden war ihnen haushoch überlegen. Unter der Niederlage im Bürgerkrieg haben später noch Generationen im Süden gelitten.«
    »Keine besonders eindeutige Botschaft«, stellte Bithras fest. »Ich hoffe, sie haben Richmond nicht nur aus diesem Grund gewählt.«
    »Wohl nicht«, sagte Allen. »Was hast du vom Mars gehört?«
    Bithras zog die Brauen zusammen und schüttelte den Kopf. »Mein Handlungsspielraum ist jetzt fest umrissen. Wenn das Abkommen, auf das wir uns einlassen wollten, nicht ausreicht … dann lassen wir uns auf überhaupt nichts mehr ein. Und kehren nach Hause zurück.«
    »Nachdem wir den ganzen Weg hierher gemacht haben?«
    »Meine liebe Casseia, die erste Regel lautet in Politik wie Medizin: Mach nichts kaputt. Ich will nicht im Alleingang handeln. Der Rat sagt mir, dass er keine Initiative duldet. Also wird es keinerlei Initiativen geben.«
    »Warum haben sie uns dann überhaupt auf der Erde vortanzen lassen?«, fragte ich.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Bithras. »Wenn ich nicht einen starken anderweitigen Verdacht hätte, würde ich es als grobe Inkompetenz bezeichnen. Aber wenn die Inkompetenz des Gegners einem selbst zum Nachteil gereicht, dann sollte man zweimal überlegen.
    Der Rat wird bestimmte Entscheidungen treffen und mit mir Kontakt aufnehmen, ehe wir nach Richmond aufbrechen. Also haben wir den morgigen Tag zur freien Verfügung. Ich schlage vor, wir genehmigen Alice eine Pause und machen einen Termin mit Jill aus.«
    »Wir haben ein fünfminütiges Treffen vereinbart: heute Abend, um dreiundzwanzig Uhr, Breitband, geheim und verschlüsselt«, gab Allen bekannt. »Alice und ich haben das gestern mit Jill geregelt … nur für den Fall des Falles.«
    »Ich bin froh, dass überhaupt noch jemand Initiative zeigt«, sagte Bithras.
    Wie alle anderen war auch ich neugierig, was Alice und Jill miteinander besprechen würden.
    Jill war das älteste Denker-Wesen auf der Erde, ein legendäres Geschöpf, der erste Denker, der echtes Selbst-Bewusstsein (nach der Definition des Atkins-Tests) entwickelt hatte.
    Jahrzehnte vor Jill und Roger Atkins hatte Alan Turing den ›Turing-Test‹ zum Vergleich von Mensch und Maschine entwickelt: Wenn sich ein Dialog auf die schriftliche Kommunikation beschränkte (die menschliche Versuchsperson

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