Heimat Mars: Roman (German Edition)
innerhalb eines Zeitraums von sechs Stunden vereinbart, das erste sollte fünfzehn Minuten nach meiner Ankunft in Mispec Moor beginnen. Ilya drückte mich kurz an sich, als wir die Shuttle-Treppe hinunterstiegen und in einen Schwall feuchtwarmer Luft traten, der von den Proteinfarmen herrührte. Mispec Moor war ganz und gar auf die mühselige Proteinproduktion und den Kohleabbau ausgerichtet. »Du musst das allein durchstehen«, flüsterte Ilya mir ins Ohr. »Ich hasse das Rampenlicht.«
»Herzlichen Dank«, sagte ich ein bisschen sauer. »Genieß die Aussicht.« Ilya würde Mispec Moors recht gewöhnliche Fossilienbestände besichtigen, während ich mich mit den Reportern traf. Man behandelte Ilya inzwischen mit derselben politischen Förmlichkeit wie mich, aber wir taten immer noch so, als habe er mit dem ganzen Zirkus nichts zu tun.
Der mich begleitende Beamte des Bundespresseamtes stellte mir zwei Reporter von Squinfo Mars und Dreierbund vor, einen älteren Mann und eine noch junge Frau. Squinfo war eine bescheidene, aber einflussreiche LitVid-Produktionsgesellschaft, die großen Wert auf gehaltvolle Beiträge und Enthüllungsjournalismus legte. Mit Squinfo-Reportern hatte ich erst einmal zu tun gehabt, das Interview damals war ziemlich anstrengend gewesen.
Der Beamte, ein netter junger Mann, der in die BG-Klein hineingeheiratet hatte, begleitete die Reporter und mich in eine schäbige Lounge.
Die Presseleute waren aus Nord-Noachis mit einem Zug angereist, der nur mittlere Geschwindigkeit machte. Es war eine achtstündige Fahrt durch eine von Kratern durchzogene monotone Landschaft gewesen, sie schienen nicht gerade guter Laune zu sein.
Wir nahmen auf den verschlissenen Sofas Platz. Der ältere Reporter legte sein Kom auf den Tisch zwischen uns und schaltete Bild- und Tonaufnahme ein. Die Jüngere, eine nervöse Frau mit dickem schwarzen Haar, eröffnete das Interview.
»Ihrer Interimsregierung bleiben noch zwei Monate, um Cailetet und die anderen Dissidenten-BGs in die Herde heimzuholen«, sagte sie. »Einige Mitglieder der Übergangsmannschaft munkeln, Cailetet brauche nur eine gewisse Ermunterung zum Beitritt, allerdings hätten Sie einen persönlichen Groll auf Achmed Crown Niger.«
Ich zog meine Augenbrauen hoch, lächelte und beschloss, den Stier bei den Hörnern zu packen und selbst das beizusteuern, was die junge Frau bestimmt für das Ergebnis einer ganz wunderbaren Recherchearbeit hielt. »Mister Crown Niger hat früher einmal Freechild Dauble vertreten und die Inhaftierung einer Studentengruppe an der Mars-Universität Sinai veranlasst. Ich nehme an, Sie spielen darauf an.«
Die Reporterin nickte, den Blick fest auf ihre Jagdbeute gerichtet.
»Das ist lange her. Der Mars hat sich verändert, ich selbst habe mich verändert …«
»Aber glauben Sie, dass Crown Niger sich verändert hat?«, warf der zweite Reporter ein und lehnte sich vor. Ich kam mir wie eine von Falken umkreiste Maus vor.
»Er ist in der Welt zweifellos vorangekommen«, erwiderte ich. »Der berufliche Aufstieg verändert die Menschen.«
»Und glauben Sie, dass Ihre Regierung mit ihm zusammenarbeiten und ihn noch vor den Wahlen in die Herde holen kann?«, fragte die Reporterin. Ein dritter Reporter, der inzwischen aufgetaucht war, schien sich mit Abwarten und Zuhören begnügen zu wollen.
»Wir möchten, dass alle mitmachen. Wir würden es ganz und gar nicht begrüßen, wenn der Mars länger als nötig gespalten wäre.«
»Aber Cailetet behauptet, die Interimsregierung unterstütze Projekte, die die Stabilität innerhalb des Dreierbundes gefährden könnten«, sagte der zweite Reporter.
»Davon habe ich nichts gehört.«
»Es steht in einer Presseerklärung, die an alle LitVids gegangen ist und die Squinfo heute Abend um zweiundzwanzig Uhr Standardzeit über Netz und Breitband innerhalb des Dreierbundes ausstrahlen wird.« Er gab mir ein zweites Kom mit der Pressemitteilung. Ich überflog den Text.
»Haben Sie mit den Olympiern Kontakt aufgenommen?«, fragte die Reporterin.
»Dazu werde ich mich nicht äußern.«
»Auf welche Weise könnten die Olympier Ihrer Meinung nach dem Dreierbund gefährlich werden?«
Ich lachte. »Keine Ahnung.«
»Wir haben übrigens ein bisschen recherchiert«, fuhr die Reporterin fort. »Und dabei haben wir entdeckt, dass Cailetet diese Wissenschaftler eine Weile finanziert hat, ehe die Gruppe sich von Cailetet getrennt hat. Die Wissenschaftler haben sich anderswo niedergelassen –
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