Heimat Mars: Roman (German Edition)
hoffen, dass ein oder zwei lohnende dabei waren. Auch Erzul hatte sich in solchen Praktiken geübt. Das Schürfen und der Abbau waren raue Gewerbe.
»Warum in so vielen Landstrichen, die gar nichts bieten oder deren Bodenschätze schon erschöpft sind? Wissen die etwas über Bodenkunde, das der Regierung – oder auch meiner Familie – entgangen ist?«
Ich lächelte und schüttelte den Kopf. »Ich werde der Sache nachgehen.«
»Tut mir leid, dass ich dich heute Abend auch noch mit dieser Sache belästigen musste«, sagte Joseph. »Aber ich habe schon immer auf meinen Instinkt gehört.«
»Und hat er dich je getäuscht?«
»Oh, oft genug.« Er lachte. »Aber ich höre ja auch nur auf ihn. Und handle nicht immer danach.«
Wir gesellten uns wieder zu Ilya und Diane im kleinen Wohnzimmer. Das Gespräch wandte sich von geschäftlichen Fragen politischen Dingen zu. Es wurden aber keine indiskreten, allzu neugierigen Fragen aufgeworfen, und dafür war ich dankbar. Ich hatte dieses öffentliche Ich allmählich wirklich satt und sehnte mich nach ein bisschen Entspannung. Ilya sah es und lenkte das Gespräch schnell in eine andere Richtung: Ernährung und landwirtschaftlichen Anbau. Diane beobachtete mich, während Joseph buchstäblich auf das Thema anbiss und Mispec Moors Erweiterungspläne beschrieb.
Ich nutzte eine Pinkelpause als Alibi, eine Weile allein zu sein und nachzudenken. Wie mir klar wurde, würde eine Zeit kommen, in der ich diese Rolle als Person des öffentlichen Interesses mehr und mehr hassen würde. Als Person, der man ständig irgend etwas ins Ohr flüsterte, deren Leben Stoff für LitVids abgab und die mit ihrem Mann nicht einmal so viel Zeit verbringen konnte, dass es für eine halbe Ehe gereicht hätte.
In stillem Einverständnis hatten Ilya und ich den Gedanken an Kinder vertagt. Und mir war klar, dass Kinder und die Fortsetzung eines normalen Lebens vielleicht auf Jahre hinaus unmöglich waren, wenn ich zusammen mit Ti Sandra kandidierte und wir siegten …
Ich dachte an Joseph, den höflichen, aufrichtigen Joseph mit dem ausgeglichenen Gesicht, der angesichts der über den ganzen Mars verbreiteten Schürfanträge beunruhigt war. Ich dachte an die tausend Warnungen, die entweder Schlimmes bedeuten konnten oder völlig aus der Luft gegriffen waren. An die unendlichen Pflichten, die sich auf völlig unmögliche Weise auf ganz bestimmte Menschen konzentrierten. Und diese Menschen mussten delegieren und dabei auch noch weise Entscheidungen treffen, an wen sie delegierten. Wenn einige dieser Entscheidungen sich als falsch herausstellen sollten – und das war unvermeidlich –, dann mussten sie trotzdem unerbittlich für ein höheres Gut kämpfen. Ein Gut, das nicht immer klar zu definieren und ganz gewiss nicht immer im Sinne aller Regierten sein würde. Ich dachte daran, wie die politischen Räder unbarmherzig mahlten und zerrieben und tat mir selbst schrecklich leid.
Es ging vorbei. Nachdem ich mir das Gesicht gewaschen hatte, kehrte ich ins Wohnzimmer zurück. Ilya, der nur allzu gut spürte, wie mir zumute war und was ich verbarg, klopfte auf das neben ihm liegende Couchkissen und umarmte mich, als ich mich setzte.
»Wir haben gute Männer, stimmt’s?«, fragte Diane.
Ich legte meinen Arm um Ilya und lächelte. Joseph wurde rot.
Zwei Wochen nachdem ich die Erweiterung hatte einsetzen lassen, berief ich in Many Hills eine Konferenz mit den Olympiern ein. Dort äußerte ich meinen Verdacht, es seien nicht alle Karten auf den Tisch gelegt worden.
Ilya hatte ich schon seit einer Woche nicht mehr gesehen. Während ich kreuz und quer über den Mars reiste, den Wahlkampf mit und ohne Ti Sandra bestritt, Hände schüttelte, Tausenden von Wohlmeinenden ernsthaft zuhörte und diejenigen nicht weiter beachtete, die ihre Augen abwandten und mir nicht die Hand geben wollten, fragte ich mich, ob ich je wieder ins wirkliche Leben zurückkehren würde. Und ob ich damit überhaupt noch zurechtkommen würde.
Wir trafen uns in meinem gerade fertiggestellten Dienstzimmer, das groß, aber spärlich möbliert war – wie es unserem Stil entsprach.
Ziemlich durcheinander starrte ich auf die vollständig angetretenen neun Olympier und den Tisch, der mit frischem Obst und Frühstücksbrötchen beladen war. Zum ersten Mal sah ich auch Mitchell Maspero-Gambacorta, Yueh Liu, Amy Vico-Persoff und Danny Pincher. Der schwarzgekleidete Mitchell Maspero-Gambacorta war stämmig und hatte gelichtetes Haar, er kam aus
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