Heimat Mars: Roman (German Edition)
wir tun können!«
Sie begriffen immer noch nicht. Es war mir egal. In meiner Erleichterung und Begeisterung – in meiner heftigen Angst um Charles – liebte ich sie wie meine eigenen Kinder. Ich ergriff ihre Arme und rief, während ich ihre Helme fest an meinen drückte: »Sie sind zum Phobos gegangen und haben ihn bewegt. Vergesst das nie! Nie! Nie im Leben!«
Auf der Brüstung der künftigen Aussichtsplattform drehte ich eine verrückte kleine Pirouette, dann lehnte ich mich gegen einen Pfeiler und starrte über die rot-orange Weite des Beckens. Phobos hatte den Himmel des Mars verlassen, und ich wusste nicht, ob und wann er zurückkehren würde. Aber ich wusste – so gewiss, als hätten Charles und Ti Sandra es mir persönlich erzählt –, wohin sie Phobos geschickt hatten. Und dass Charles auf Phobos ritt und ihn steuerte … Quer durchs Sonnensystem, zur Erde, als schreckliche Drohgebärde ihres bedrängten Kindes.
Phobos stieg jetzt am Himmel unserer gemeinsamen Mutter auf.
Trampelt nicht auf mir herum.
Dickinson saß noch dort, wo ich ihn verlassen hatte, Gretyl ganz in seiner Nähe. Sie schienen mit sich selbst im reinen zu sein, zufrieden damit, dass sie ihre Rollen in diesem großen Drama spielen durften. Eine Nachricht von der Erde konnte frühestens in einer knappen Stunde eintreffen. Bis dahin konnte ich mit Dickinson Katz und Maus spielen, und meine Boshaftigkeit hätte noch zu mehr gereicht.
Die Abgeordneten, die genauso wenig wie Dickinson wussten, nahmen ihre Plätze wieder ein, nachdem sie sich bei meinem Eintritt erhoben hatten.
»Mister Dickinson«, sagte ich. »Ich lehne Ihr Ultimatum ab. Ich nehme Sie in Haft. Nach den Gesetzen der Bundesrepublik Mars …« – ich zog mein Kom zu Rate, beugte mich über den Tisch und deutete mit dem Finger auf ihn – »… beschuldigen wir Sie schwerster Verbrechen gegen die Republik, einschließlich des Hochverrats, der Spionage, des verdeckten Arbeitens als Agent ausländischer Mächte und der Bedrohung der Sicherheit der Republik.« Ich drehte mich zu Gretyl um. »Und das gilt auch für Sie, meine Liebe.«
Dickinson blickte zu seinen vier Adjutanten aus Cailetet hinüber. Mit flatternden Augenlidern wandte er sich wieder mir zu. Sein zur Schau gestellter Gleichmut machte auf mich keinen Eindruck. »Ist das Ihre Antwort?«, fragte er.
»Nein. Meine Antwort an Sie und die Gruppierungen, die Sie vertreten, ist, dass wir zu gegebener Zeit und unter angemessenen Umständen, wenn die Ordnung in dieser Republik wiederhergestellt ist und die Drohungen zurückgenommen sind, die wesentlichen Fragen wie zivilisierte Völker mit den bei uns akkreditierten Regierungsvertretern der Erde besprechen werden. Eine beschlussfähige Anzahl gewählter und ernannter Regierungsvertreter des Mars wird sich in diesem Saal versammeln, außerdem akkreditierte Diplomaten und Unterhändler von der Erde. Wir werden die Gespräche offen und gesetzestreu führen.«
Gretyls Haltung war ein bisschen erschüttert. Mit flackerndem Blick sah sie sich im Saal um, wie ein Tier im Käfig. Mir stand plastisch vor Augen, wie Gretyl sich ihre Maske abgerissen hatte, bereit, an der Marsoberfläche zur Märtyrerin zu werden. Und ich erinnerte mich mit trauriger Klarheit auch daran, dass ich Sean Dickinson einst für den edelsten Mann, dem ich je begegnet war, gehalten hatte. Für einen tapferen, stillen, aufrechten Mann. Wenn er mich damals ermutigt hätte, wäre ich sofort mit ihm ins Bett gegangen. Und im Bett wäre er bestimmt still, reserviert und ein bisschen kühl gewesen. Ich hätte mich hoffnungslos in ihn verliebt. Er hätte mich aufgerissen und mir dann den Laufpass gegeben.
Ich war dankbar dafür, dass sich diese Gelegenheit nie ergeben hatte.
»Sind Sie sicher, dass das die Antwort ist, die ich weitergeben soll?«, fragte er.
»Ja«, erwiderte ich. »Sagen Sie Crown Niger und der Erde, dass wir Ihr Beglaubigungsschreiben nicht akzeptieren.« Ich wandte mich Dandy zu. »Wenn er das erledigt hat, lassen Sie die Leute festnehmen. Alle!«
Gouverneur Henry Smith aus Amazonis schien einer Ohnmacht nahe zu sein.
Dickinson stand mit aschfahlem Gesicht auf. »Ich hoffe, Sie wissen, was Sie tun.«
Einen Augenblick starrten wir einander an. Sean blinzelte, drehte sich langsam um und bemerkte: »Ich habe dir noch nie getraut. Von Anfang an nicht.«
»Und ich hätte mein Leben für dich gegeben«, erwiderte ich. »Aber damals war ich noch jung und naiv.«
Ich möchte jetzt einen
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