Heimat Mars: Roman (German Edition)
plump aus.
»Wie weit ist es mit uns gekommen, Casseia?«, sagte Charles.
»Zu weit. Ich weiß noch, dass ich dich vor langer Zeit dafür verflucht habe, weil du diese Probleme in die Welt gesetzt hast. Seitdem haben wir einen weiten Weg zurückgelegt.«
»Ich habe nie das Gefühl gehabt, es steuern zu können«, erwiderte Charles. Royce und Vico-Persoff schien es momentan ganz recht zu sein, dass Charles und ich uns miteinander unterhielten. Dandy stand steif wie eine Statue wenige Schritte hinter mir. Man gab Charles und mir viel Spielraum für Entscheidungen, nicht nur aus Respekt, sondern auch aus nackter Angst.
»Bisher ist noch keiner gestorben«, sagte ich. »Ich meine, wir haben noch keinen Menschen umgebracht. Die Erde schon. Wir bekommen immer noch Berichte herein, aber ganze Siedlungen sind völlig von der Außenwelt abgeschnitten.«
»Ich weiß«, erwiderte Charles.
»Wir haben nicht den ersten Schlag geführt. Und wir werden es nicht als Waffe einsetzen.«
»Unfug«, entgegnete Charles und machte mich erneut wütend. »Ich hatte die Anweisung, falls nötig zuzuschlagen. Wenn ihr beide, du und Ti Sandra, ausgelaugt und abserviert seid, wird jemand anderer an eure Stelle treten. Verzweiflung und Angst werden …« Er schluckte, riss die Hände auseinander und rieb sie an den Knien. »Glaub mir. Was wir getan haben, wird Menschenleben fordern, viele Menschenleben fordern.«
»Wir kommen also wieder auf den Ausgangspunkt zurück«, sagte ich.
»Wirst du bald mit Ti Sandra sprechen?«
»Ja. Ich glaube nicht, dass sie irgendwie überrascht sein wird.«
Lieh war mit gerötetem Gesicht und verlegener Miene wieder hereingekommen und hatte sich neben Dandy gestellt. Ich stand auf, nickte Charles, Leander, Royce und Vico-Persoff zu, bedankte mich für den Tee und verließ zusammen mit meinem Leibwächter und meiner Kommunikationsexpertin den Raum.
Ich freute mich auf ein spartanisches Lager und ein paar Annehmlichkeiten.
Lieh benutzte einen elektronischen Schlüssel, um die Tür zu meinem Zimmer zu öffnen. Es war so spartanisch, wie es nur sein konnte, sauber, neu und leer. Es roch nach Stärke und frischem Brot.
»Falls die Präsidentin wach ist und es ihr gut genug geht, muss ich jetzt mit ihr sprechen«, sagte ich.
Lieh wirkte sehr bekümmert. Sie wandte den Blick ab und schüttelte den Kopf. Dandy trat mit hängenden Armen ins Zimmer. »Das ist kein guter Zeitpunkt dafür, Frau Vizepräsidentin. Vor ein paar Minuten ist eine Nachricht eingegangen. Wir haben Ihren Mann gefunden.«
»Ist er in Cyane Sulci?«
»Er wurde evakuiert und zu einer kleinen Siedlung in Jovis Tholus gebracht. Er ist, so weit ich weiß, auch unversehrt dort angekommen. Aber die Siedlung war noch ganz neu. Die Architektur war dynamisch und wurde von einem Denker gesteuert.«
»Warum hat man ihn nicht einfach im Labor von Cyane Sulci gelassen?« Ich setzte mich aufs Bett und war darauf gefasst, von Ilyas Abenteuern mit dem Sicherheitsdienst und den technischen Tücken der Siedlung zu hören – eine Komödie voll technischer Einzelheiten, die meine bedrückte Stimmung auflockern würde.
»Es war keine gute Entscheidung«, räumte Dandy ein. Es fiel ihm schwer, Haltung zu bewahren. »In Jovis sind die Hauptwohnquartiere in die Luft geflogen. In den letzten Tagen haben sie die Toten ausgegraben und identifiziert. Fünfhundert Menschen sind tot, dreihundert verletzt.«
»Er ist tot, Casseia«, sagte Lieh. »Man hat ihn gefunden, er ist tot. Wir wollten es Ihnen nicht eher sagen, als bis wir es ganz sicher wussten.«
Darauf gab es nichts zu sagen. Ich hatte keine Energie mehr für ein Melodram. Ich kam mir wie ein Loch vor, in dem die Dinge einfach verschwanden. Eine negative, keine positive Kraft.
»Möchten Sie, dass ich bei Ihnen bleibe?«, fragte Lieh. Ich legte mich wieder aufs Bett, starrte zur niedrigen Zimmerdecke und auf die blauen Schränke.
»Ja bitte«, antwortete ich.
Lieh berührte Dandy am Arm. Er ging hinaus und schloss die Tür hinter sich. Sie setzte sich aufs Bett und lehnte den Rücken gegen die Wand. »Meine Schwester und ihre Kinder sind in Newton gestorben«, sagte sie. »Neunzig Opfer.«
»Das tut mir sehr leid«, antwortete ich.
»Ehe ich bei Point One anfing, haben wir immer viel miteinander geredet«, fuhr Lieh fort. »Nach und nach haben sich unsere Wege getrennt. Dies alles hier schien so wichtig zu sein.«
»Ich weiß, was Sie meinen.«
»Ich mochte Ilya. Er war immer sehr freundlich,
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