Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heimat Mars: Roman (German Edition)

Heimat Mars: Roman (German Edition)

Titel: Heimat Mars: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
Vom Netzwerk:
richtigen Platz zu sein, und genoss die Gelassenheit, die sich nach der sexuellen Befriedigung einstellt – wenn der Geliebte gleichzeitig ein lieber Freund ist.
    Ich hatte einen Geliebten. Ich konnte gar nicht mehr verstehen, warum ich vorher so unsicher und verwirrt gewesen war.
    Am nächsten Tag schliefen wir – selbstverständlich – wieder miteinander. Danach wanderten wir mit Bechern voller Frühstücksbrühe durch die Tunnel, und ich half Charles dabei, die Station zu inspizieren. Alle paar Jahre mussten Stützpunkte, die in Betrieb waren – egal, ob sich dort Menschen aufhielten oder nicht – von Menschen kontrolliert werden. Die Ergebnisse der Inspektion mussten dem Rat der Bindenden Gruppen übermittelt werden. Alle bewohnbaren Stützpunkte waren auf einer Liste verzeichnet und mussten so ausgestattet sein, dass jeder sie im Notfall benutzen konnte. Très Haut Médoc brauchte neue Roboter und Notvorräte. Die für den Notfall vorgesehenen Nano-Medikamente hatten ihr Verfallsdatum längst überschritten. Wahrscheinlich mussten auch die Pumpen technisch überholt und wichtige Bauteile aufgrund des Verschleißes ausgetauscht werden. Das konnten die Roboter nicht leisten.
    Nachdem wir die Inspektion der Zentralpumpen hinter uns gebracht hatten, fragte ich Charles, was für ihn das größte Rätsel des Universums sei. Immer noch beschäftigten mich der Ausflug des Vortages und der Schock, den ich angesichts der riesigen Zeitdimensionen empfunden hatte.
    »Das größte Rätsel? Die Betriebssteuerung«, antwortete Charles lächelnd.
    »Genau«, fauchte ich. »Drück dich gefälligst so aus, dass ich dir folgen kann.«
    »Ich weiß gar nicht, was du hast. Ich frage mich wirklich, woher jedes Ding weiß, wo es hingehört und was es darstellt. Wie ist es möglich, dass alles mit allem kommunizieren kann? Und wer oder was hört dabei zu?«
    »Klingt gespenstisch.«
    »Sehr gespenstisch«, bestätigte er.
    »Du hältst das Universum für ein gigantisches Gehirn?«
    »Ganz und gar nicht, Gnädigste«, sagte er und verstaute ein Senkblei, das er zur Inspektion der Pumpen benutzt hatte, am Gürtel. »Aber das Universum ist viel seltsamer, als man sich das je vorgestellt hat. Eine Art Rechensystem … es ist nichts als Information, die ein Selbstgespräch führt. So viel scheint klar zu sein. Ich möchte wissen, auf welche Weise dieses Selbstgespräch funktioniert und wie wir dabei zuhören können … und vielleicht auch selbst was zu dieser Unterhaltung beisteuern können. Dem Universum sagen können, was es tun soll.«
    »Du meinst, wir können das Universum dazu überreden, sich zu ändern?«
    »Ja«, sagte er gelassen.
    »Das ist wirklich möglich?«
    »Darauf würde ich mein Leben wetten«, antwortete Charles. »Zumindest meine Zukunft. Hast du dich je gefragt, warum wir im Status quo verharren müssen?«
    Kulturkritiker und selbst prominente Vordenker des Dreierbundes hatten darüber spekuliert, warum es in den letzten Jahrzehnten kaum noch wesentliche Fortschritte gegeben hatte. Auf der Erde hatte die Revolution des Datenflusses zwar oberflächliche Veränderungen und extreme Verfeinerungen bewirkt, aber seit fast hundert Jahren war kein Paradigmenwechsel mehr eingetreten. Manche sagten, man könne einen Erdenbürger aus dem Jahre 2071 ins Jahr 2171 versetzen, ohne dass er wesentliche Unterschiede sehen würde … Und das nach Jahrhunderten extremen Wandels!
    »Wenn wir Zugriff auf das Bellsche Kontinuum (Das Bellsche Kontinuum oder Bell-Kontinuum hat in diesem Roman wesentlichen theoretischen Stellenwert. Greg Bear nimmt damit Bezug auf das sogenannte ›Bell-Theorem‹. Dieses Theorem betrifft das Wesen von Realität selbst. Es wurde in den frühen 1960er Jahren von dem nordirischen Physiker John Bell (1928-1990) entwickelt. Das Theorem besagt, dass alle Ereignisse im Universum miteinander verbunden sind (›Interconnectedness‹) und Realität nur als ›nicht-örtliche‹ (›non-local‹) begriffen werden kann. Das heißt, dass die innere Verbundenheit der Ereignisse nicht erklärt werden kann, wenn man die ›lokale‹ Natur von Realität (wie sie von Albert Einstein und anderen in den 1930er Jahren postuliert wurde) als Postulat nicht aufgibt. Im Grunde bedeutet dies, dass jede Messung eines Ereignisses – egal, wo sie vorgenommen wird – selbst von Ereignissen beeinflusst wird, die von dem gemessenen Ereignis durch Entfernungen getrennt sind, deren Bewältigung nicht mit Lichtgeschwindigkeit möglich

Weitere Kostenlose Bücher