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Heimat Mensch - Was uns alle verbindet

Titel: Heimat Mensch - Was uns alle verbindet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Antweiler
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Nirgendwo ist sie Nebensache.
    Woran mag das liegen? Sex macht Freude. Er kann aber auch verdammt folgenreich sein. Die Konsequenzen sind wirtschaftlich bedeutsam, sie betreffen Leib und Leben – und die Gesellschaft. Die Folgen können sehr langfristig sein, sie reichen in der Regel über das eigene Leben hinaus. Und sie lassen sich nicht sicher vorhersehen. Die Konsequenzen sind für Frauen andere als für Männer. Soziobiologen sagen uns, dass Frauen andere biologische »Interessen« haben. Während der Schwangerschaft ist eine Frau verletzlich und weniger leistungsfähig. Männer können theoretisch Tausende von Kindern zeugen, Frauen nur ein gutes Dutzend. Deswegen ist Sex für die Frau definitiv keine nebensächliche Angelegenheit.
    Die Folgen sind für die Frau in einiger Hinsicht überall ähnlich. So kann sie während der Schwangerschaft keine schwere Arbeit verrichten. In anderer Hinsicht gibt es kulturelle Unterschiede, etwa wenn die Großfamilie Kinder aufzieht. Jeder Mensch in jeder Kultur aber muss bedenken, dass beim – heterosexuellen – Sex Kinder entstehen können. Sexualität findet nicht außerhalb von Machtstrukturen statt, sie ist mit Kontrolle und mit dem materiellen Überleben verbunden. Kinder müssen versorgt werden, sie können einem aber auch helfen, wenn sie herangewachsen sind. Ökonomisch gesehen bringen sie Kosten und Nutzen. Deshalb findet jede Kultur Regelungen für diejenigen sexuellen Aktivitäten, die Auswirkungen auf den Nachwuchs haben.
    In keiner Kultur, die wir kennen, betreibt man Sex nur, um Kinder zu bekommen. Obwohl das prinzipiell denkbar wäre. Überall hat Sex gesellschaftliche Funktionen und Folgen. Kein Wunder also, dass es überall Verwandtschaftssysteme und Heiratsvorschriften gibt. Trotz einer unübersichtlichen Fülle von ganz unterschiedlichen Regelungen werden überall klare Ansagen zu drei Fragen gemacht: Wie viele Menschen darf man heiraten? Aus welcher Gruppe oder sozialen Einheit muss der Partner kommen? Wo lebt das Paar nach der Heirat? Diese Fragen sind für jede Gesellschaft existenziell. Die Antworten auf diese drei Grundfragen fallen unterschiedlich aus, aber es gibt auch dabei weltweite Muster.
    Die überwiegende Zahl der Kulturen dieser Welt fordert entweder Monogamie von ihren Angehörigen oder erlaubt einem Mann viele Frauen. Nur eine Handvoll gesteht einer Frau mehrere Ehemänner zu. Diese wenigen Gesellschaften leben in kargen Gebieten wie in Tibet, und diese Regelung ermöglicht ihnen, die Bevölkerung klein zu halten. Dort heiratet eine Frau in der Regel mehrere Brüder, und nur der älteste darf Kinder mit ihr bekommen. In der Mehrzahl der Gesellschaften, die nur einen Partner vorsehen, gehört Scheidung zur Normalität des Lebens. Sie ist meist recht leicht und häufig. In modernen Gesellschaften sind Trennungen und erneute Verbindungen so verbreitet, dass die Soziologen von »serieller Monogamie« sprechen. Auch in polygamen Gesellschaften, die den Männern Ehen mit mehreren Frauen erlauben, haben praktisch so gut wie alle Männer nur eine Frau.
    Kulturen gehen sehr unterschiedlich mit dem Sexlife um, aber überall wird das Thema ernst genommen. Es gibt sex-positivere und sex-negativere Gesellschaften. In Brasilien durchzieht Sexualität geradezu das Alltagsleben. Das gilt jedenfalls für die Mittelschicht in den Städten. Wer zum ersten Mal hierherkommt, ist fasziniert von der Erotik, die in der Luft liegt. Und diese Erotik durchtränkt das ganze Leben, nicht nur die Beziehungen zwischen Männern und Frauen. Das krasse Gegenbeispiel bieten uns einige der islamisch geprägten Gesellschaften: No Sex in Dubai; kein nacktes Fleisch in Mekka. Selbstverständlich ist Sex auch dort wichtig. Es wird aber ganz rigide dafür gesorgt, dass davon nur wenig nach außen dringt. Frauen spielen in der Öffentlichkeit kaum eine Rolle. Mauern, Schleier und die örtliche Trennung von Männern und Frauen tun ihr Werk. Ob nun sex-positiv oder eher sex-negativ, eine sex-neutrale Kultur haben die Ethnologen noch nicht gefunden, und sie werden sie auch nicht finden.
    Und wie steht es mit den Eipo in West-Neuguinea? Wollen sie Sexualität überhaupt regeln, wo sie doch schon die äußeren Geschlechtsunterschiede so stark betonen wie kaum sonst eine Kultur? Und wenn ja, wie können sie den Sex in Bahnen lenken, wo sie doch meist fast nackt herumlaufen? Trotz engem Raum und fehlender Hüllen ist die Sexualität bei den Eipo ziemlich klar geregelt, und auch bei

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