Heimat Mensch - Was uns alle verbindet
ihnen geht es um mehr als das körperliche Vergnügen. Vorehelicher Sex kommt nicht sehr häufig vor, wird aber toleriert. Vor der Ehe gilt Geschlechtsverkehr bei den Mädchen als akzeptabel, wenn sie um die 17 Jahre alt sind, während die Jungen warten sollen, bis sie 20 sind. Das klingt für uns schon fast prüde.
Männer und Frauen schlafen üblicherweise getrennt. Wie man die Geschlechtsunterschiede überdeutlich markiert, so werden auch die Lebenswelten der Frauen und Männer durchgängig getrennt. Es gibt separate Männer- und Frauenhäuser. Die jungen Männer erleben mehrere Phasen von Initiationsriten, die Mädchen nicht. Die Tänze der Frauen sind deutlich andere als die der Männer. Ganz allgemein glauben die Eipo an einen starken natürlichen Antagonismus zwischen Männern und Frauen. Westliche Gender-Forscher, die gern betonen, dass »wir alle« weibliche und männliche Seiten in uns haben, würden bei ihnen verzweifeln. Eipo-Männer fürchten die weibliche Sexualität. Sie schlafen keinesfalls mit ihren Frauen, wenn diese ihre Tage haben, und nach der Geburt erwartet man von einer Frau, mit dem Geschlechtsverkehr zwei bis drei Jahre auszusetzen. Ethnologen haben ein solches Post-Partum -Koitus-Tabu in etlichen Gesellschaften gefunden. Homosexualität findet am Rande statt, und wenn, dann eher in spielerischer Form.
Statt grenzenloser Freiheit gibt es also allenfalls »moderate Promiskuität«, wie die Forscher das so schön nennen. Außereheliche Affären werden eher von den Frauen initiiert. Sie kommen vor, und das weiß jeder. Allen ist aber auch bewusst, dass das gegen die Normen verstößt. Eifersucht ist verbreitet wie in jeder anderen Kultur. Und wie in fast allen Gesellschaften wird bei den Eipo viel geflirtet. Konkreter Sex zwischen Mann und Frau ist bei den Eipo aber eine ganz intime Angelegenheit. Da man in kleinen Siedlungen dicht beieinanderwohnt, geht das Paar hierfür weg vom Haus und vergnügt sich außerhalb des Dorfs im Wald. Wenn es zur Sache geht, meidet man auch hier die anderen Menschen. Die riesigen Penisköcher führen uns in die Irre. Die Eipo sind alles andere als tierische oder sexbesessene Wilde.
Sex ist individuell interessant und gleichzeitig sozial folgenreich. Diese strukturelle Situation gilt für die Eipo und die übrigen Indonesier, für die Araber und für uns. Sex ist immer ambivalent, und dem müssen sich alle Gesellschaften dieses Planeten stellen. Für die Kulturen bedeutet das eine ständige Herausforderung. Sexualität verbindet die einzelne Person, das eigene Selbst, mit der Biologie und mit der Gesellschaft. Deshalb ist Sexualität nie Nebensache und vor allem nie nur Privatsache. Zugleich haben sich der Spaß am Sex und der Traum vom ungebundenen Treiben bis heute gegen alle Regelungen ihre grenzüberschreitende Kraft erhalten. Deshalb ist es nicht erstaunlich, dass Subkulturen immer wieder auf die »verrückte« Idee kommen, Sex einfach nur zum Spaß zu machen.
Wir hier und die dort Heimat, Gruppe und Scheuklappen
Die Welt ist vernetzt. Alle sind mobil, viele sind fast immer online. Wir leben im globalen Zeitalter. Ob als wirkliche Personen oder im Internet: Wir sind dauernd unterwegs. Reichte der Lebenskreis der meisten Menschen noch vor zwei Generationen kaum über ihren Herkunftsort hinaus, reisen Schüler heute über den Atlantik, um sich ein Originalsouvenir im Hard Rock Café zu holen. Die Transportzeiten werden immer kürzer, und Billigflieger erobern die Welt, vor allem für die wohlhabenden Nationen. Aber auch die Explosion der Fortbewegung für den kleinen Geldbeutel ist ein globales Phänomen. Das Straßennetz wächst, wie die letzten Naturreservate schrumpfen, und die obligatorischen japanischen Kleinbusse verbinden heute auch die kleinen Orte der armen Länder miteinander und mit der großen Welt.
Ortlosigkeit erscheint normal. Bewegung gilt als Signum unserer Zeit. Wer stehen bleibt, so die gängige Devise, fällt zurück. Die ständige Bewegung und die globalen Wanderungen führen zu einem Austausch der Kulturen. Kulturen, die sich früher selten begegneten und allenfalls militärisch aufeinanderprallten, kommen einander näher. Die Grenzen zwischen ihnen werden offener. Die ganze Welt scheint von einer großen »Kulturschmelze« erfasst. Wie Migration zum Normalfall der Biografie wird, so wird Vielfalt zum Normalfall der Gesellschaften. Statt Monokulturen entwickeln sich Multikulturen. Kultur wird flüssig, und Kulturtransfer wird etwas
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