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Heimat Mensch - Was uns alle verbindet

Titel: Heimat Mensch - Was uns alle verbindet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Antweiler
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völlig Normales. Kann es da noch so etwas wie Heimat geben? Schon das Wort klingt altbacken und sehr deutsch.
    Heimat in der grenzenlosen Welt?
    Das gerade gezeichnete Bild ist uns aus den Medien vertraut, aber gibt es auch die Wirklichkeit wieder? Ist die Welt tatsächlich so, oder wird hier eine Teilwahrheit hochgepuscht, möglicherweise weil sie so gut mit bestimmten wirtschaftlichen Interessen zusammengeht? Sicher, es gibt viele Arbeitswanderer innerhalb der Länder und auch über Staatsgrenzen hinweg. Prototypisch ist die floating mass der Wanderarbeiter in China, die ständig auf Arbeitssuche sind. Dauerhafte Arbeitsmigration ist nichts Neues. Es gibt Regionen, in denen Wanderarbeit seit Generationen Tradition hat, zum Beispiel die Karibik und Westafrika. Der typische Haushalt besteht hier nicht aus Mann, Frau und Kindern. Er besteht aus der Mutter und ihren Kindern, wozu oft noch eine Schwester der Mutter kommt. Fachleute sprechen von female-headed households . Und die Männer? Sie arbeiten woanders, oft weit entfernt, und sind entsprechend selten zu Hause. Sie senden Geld und driften ansonsten als Zeuger von Kindern durchs System. Am anderen Pol der Wohlstandsskala finden wir die mobilen Jobnomaden, die einen Großteil ihres bestens bezahlten Berufslebens in den Lounges von Flughäfen verbringen. Manche von ihnen sagen selbstbewusst: »Heimat ist da, wo ich gerade bin.«
    Die hochmobilen Menschen sind die Helden der heutigen Kulturtheorie. Wo bis in die 1960er Jahre stolz von Internationalität geredet wurde, da sind in den postmodernistischen Theorieschmieden neue Vokabeln angesagt: Hybridität, Interkulturalität und Translokalität, ja sogar Hyperkulturalität. Kulturelle Grenzen, lokale Traditionen und Heimatorte scheint es nicht mehr zu geben. Gefeiert werden Grenzenlosigkeit und Wurzellosigkeit. Viele dieser Theoretiker haben ihren familiären Hintergrund oft selbst nicht in den Ländern, in denen sie jetzt leben. Sie kommen etwa aus einer ehemaligen britischen Kolonie und leben jetzt in London oder Princeton. Und sie sind fast das ganze Jahr unterwegs auf Konferenzen zwischen Toronto, Tokio und Taipeh. Als Tagungstouristen treffen sie dort auf Kollegen, die ebenfalls solche kulturellen Mischwesen sind. Mitunter kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die transnational aktiven Theoretiker vor allem ihr eigenes Leben im Blick haben beziehungsweise ihre politischen Ideale in ihre Theorien hineinprojizieren.
    Die Lebenswirklichkeit auf diesem Planeten sieht anders aus. Nach wie vor werden die meisten Menschen nicht im Flugzeug über dem Pazifik oder in Flughafenhotels gezeugt. Die wenigsten haben eine Mutter, die aus Malaysia stammt, als feministische Wissenschaftlerin in L.A. lebt, und einen Vater, der gemischt puerto-ricanisch-indianischen Ursprungs ist und als Repräsentant eines internationalen Konzerns um den Globus jettet. Die meisten wachsen auch nicht in den Multikulti-Kindergärten von Kreuzberg oder Berkeley auf.
    Schon die modischen Vokabeln zeigen an, wie unsicher man sich eigentlich ist. Interkulturalität, Multikulturalität und Translokalität – allesamt schleppen sie das Denken der Grenzen mit sich. Bei »Inter« fragt man sich: Zwischen was, und was ist dazwischen? Worin bestehen die »Lokalitäten«, über die die Translokalität hinaus- oder hindurchgeht? Selbst gängige Bilder des »Mosaiks« der Kulturen oder des »Patchworks« klingen schön, setzen im Grunde aber die Sprache der Abgrenzung fort. Mosaiksteine haben scharfe Umrisse. Auf der anderen Seite steht die Tendenz zum Ungefähren. Der Begriff der Hybridität wendet die Unklarheit ins Positive. Symptomatisch sind auch die Titel entsprechender Tagungen und Referate. Sie sagen alles nur noch im Plural. Es gibt keine Identität, Migration und Geschichte mehr, sondern nur noch »Identitäten«, »Migrationen« und »Geschichten«.
    All das blendet große Teile der Lebenswirklichkeit von Menschen des 21. Jahrhunderts aus. Fakt ist nämlich, dass fast alle Menschen nach wie vor innerhalb einer lokalen kulturellen Tradition aufwachsen. Die allermeisten Menschen leben dann auch ihr ganzes Leben in der Gegend, in der sie geboren wurden und aufgewachsen sind. Der neueste Atlas der globalen Entwicklung der Weltbank verzeichnet derzeit knapp 200 Millionen Migranten auf diesem Planeten. Das hört sich nach viel an. Es sind aber – bei gut 6,5 Milliarden Menschen – nur rund 3 Prozent der Weltbevölkerung. Viele Migranten

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