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Heimat Mensch - Was uns alle verbindet

Titel: Heimat Mensch - Was uns alle verbindet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Antweiler
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Lederwams.
    Familientreffen
    Gerade in den letzten Jahren häufen sich Projekte, die die weltweite Vielfalt menschlicher Lebensformen visuell dokumentieren. Es sind vor allem die gewichtigen Bände mit Fotos von Menschen aus aller Welt. Diese Bücher zeigen auf den ersten Blick die Vielfalt der Menschen und die Diversität in ihren Lebensweisen. Unterschwellig wird aber auf universale Themen und kulturübergreifende Probleme verwiesen. Andere Projekte wollen Universalien in pädagogischer Absicht nahebringen und finden sich seit einiger Zeit auch im Internet. Schon seit über zehn Jahren erlaubt ein von der UNESCO gefördertes »GeoSphere Project« auf einer CD-ROM Einblicke in Daten und Fragebogenantworten von 30 »zufällig ausgewählten« Familien aus der ganzen Welt.
    Es gibt ganz unterschiedliche Möglichkeiten, Einheit und Vielfalt zu zeigen. Es gibt bessere und schlechtere Beispiele. Die Welt der Bilder eröffnet eine ungeheure Bandbreite, beim einzelnen Foto stößt man aber schnell auf Probleme. Das zeigt sich schon, wenn ich zusammen mit Verleger, Lektor und Grafiker ein Titelbild für dieses Buch suche. Wie können wir Einheit in der Vielfalt nicht nur behaupten, sondern konkret zeigen? Es bietet sich an, mit anschaulichen Kontrasten und etwas Verbindendem zu spielen, das jedem vertraut ist. Ein fast nackter Eipo mit Penisköcher im Supermarkt? Das ist mir zu exotisierend. Schwarze und chinesische Studenten gemeinsam auf einem US-amerikanischen Campus? Perfektes Multikulti, aber der Betrachter setzt dann schnell Kulturunterschiede mit Hautfarben gleich. Wir wollen nicht in die Falle gängiger Stereotype tappen.
    Kritiker urteilen die visuellen Weltprojekte allzu voreilig ab. Ein Beispiel ist Benetton. Sieht man sich die Arbeiten des Starfotografen Oliviero Toscani an, wird deutlich, dass er immer mit Farben spielt, Farben von Kleidern wie Menschen. Die verschiedenen Werbekampagnen der global orientierten Firma zeigen über die Jahre hinweg menschliche Vielfalt und Einheit mit ganz unterschiedlichen Konzepten und in immer wieder anderen Formen. Da wir heute in Bildern ertrinken, ist es wichtig, hier genauer hinzuschauen. Wie können kulturelle Unterschiede optisch rübergebracht werden, ohne Rassismus zu betreiben? Wie kann man Bildstereotype einsetzen, um sie kritisch zu unterlaufen? Wo werden Farben eingesetzt, um die Menschheit zu unterteilen, wo, um sie zu verbinden? Wir müssen genauer hinsehen, um überzeugende Lösungen zu finden. Denn wir sind visuelle Wesen und erliegen optischen Botschaften viel schneller als dem, was wir hören und lesen.
    Der in Paris lebende Modefotograf Uwe Ommer nimmt im Alter von 52 Jahren eine Auszeit von kommerziellen Projekten und widmet sich vier Jahre lang seinem Lebensprojekt: einem Familienalbum des Planeten Erde. Mit Ausrüstung und Assistent bereist er 130 Länder und legt dabei 250000 Kilometer zurück. Er interviewt fast 1300 Familien von Bogotá bis Brookhaven, von Togo bis Tarbuko. Sein Bildband 1000 Families , der 2002 erscheint, zeigt schließlich eine Bildauswahl aus 65 Ländern. Ommer hat die Familien alle an ihrem Wohnort besucht und für das Bild vor eine weiße Leinwand gebeten. Er gab keine Anweisungen, was sie sich anziehen sollten. Jeder konnte die Gegenstände mitnehmen, die ihm lieb waren.
    So erleben wir die ganze Vielfalt der Lebensweisen und Familienformen, eine unwahrscheinliche Vielfalt, die Generationen und Kulturen überspannt. Gleichzeitig sehen wir Gleichheiten in den Details und die Kombination immer wieder ähnlicher Strukturen. Der neutrale Rahmen erschließt universale Muster, etwa in den Generationsunterschieden, Lebensproblemen und bei Vorlieben im Konsum. Die Bilder sind so fesselnd, das man leicht den Text vergisst, der interessante Interviewausschnitte bietet und den Optimismus der Bilder unterstreicht. Ein faszinierendes Projekt.
    Nicht nur konkrete Familien sind faszinierend, wenn man sie einmal wirklich breit vergleicht. Auch die Metapher der Menschheit als Familie hat Potenzial. Das wird bei aller berechtigten Kritik an Steichens Ausstellung leicht vergessen. Die Familie des Menschen muss ja nicht christlich, jüdisch, patriarchal oder als verkapptes amerikanisches Bürgeridyll verstanden werden. Sie muss auch keineswegs tröstend oder sentimental daherkommen. Der Begriff kann auch historisch beziehungsweise stammesgeschichtlich aufgefasst werden. Unter dem Label »Familie« gehört jede Person zur Menschheit: genealogisch und

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