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Heimaturlaub

Heimaturlaub

Titel: Heimaturlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Himmelherrgott – ich schwöre, daß ich alle Weiber umbringe!«
    Da wurde die Tür aufgerissen, ein Mann stürzte herein und schrie. Keiner verstand ihn, aber alle hörten nur ein Wort:
    »Wüllner … Wüllner …«
    Da stand er in der Tür, lächelte höflich, nahm aus der Tasche ein Manuskript, ging ans Standmikrofon, schaltete ein, sah auf die Uhr und begann zu sprechen.
    Was er sagte, hörten nur Dr. Curtius und der Abendsprecher – Sendeleiter Wilhelm starrte zur Tür und krampfte die Hände. Dort stand ein Weib! Beim Teufel … der Drachen all dieser Aufregung … stand da und lächelte! Und er verlor ein Viertelpfund Speck wegen dieses Mädchens, rieb sich auf und wurde nervenkrank! Da stand sie, lächelte, sah auf Wüllner und winkte ihm auch noch zu.
    Kurz entschlossen wollte Wilhelm Hilde aus dem Senderaum bugsieren, als Dr. Curtius ihn am Ärmel faßte.
    »Sind Sie verrückt? Das ist Hilde Brandes, die Braut von Wüllner!«
    Wilhelm starrte ihn an.
    »Ist der denn verlobt?« flüsterte er zurück.
    »Seit einem halben Jahr.«
    »Himmelherrgott, auch das noch!«
    Dann bekam auch er mit, was Kriegsberichter Heinz Wüllner zu all denen sprach, die ihm am Radio zuhörten:
    »Meine lieben Kameraden an allen Fronten, liebe Volksgenossen … Wenn ich heute hier im Berliner Funkhaus am Mikrofon stehe und zu euch allen sprechen darf, so verdanke ich es dem Glück, das mich in vorderster Linie beschützte, als ein Granatsplitter mir die rechte Brustseite aufriß. Jetzt, wo ich auf wenige Tage wieder in unserer geliebten Heimat bin – jetzt erst fühle ich so richtig, welche Werte wir draußen an der Front beschützen und wie eng Heimat und Front miteinander verwachsen sind, zutiefst verbunden und aufeinander angewiesen.
    Ich will euch nichts sagen von den üblichen Schlagwörtern, ich will euch keine Rede halten und euch zurufen: Jungs, haltet durch, wir wollen den Karren schon weiterrollen … das ist uns alles so oft gesagt worden, daß wir es auswendig kennen, und das sieht man an den Wunden, die wir auf dem Körper tragen. Aber ich will euch von der Heimat erzählen, von dem Land eurer Sehnsucht, denn ich weiß ja, wie euch zumute ist, wenn ihr abends im Bunker sitzt, das Bild der Lieben in der Hand, und die Gedanken in die Ferne schweifen und in der Erinnerung Kraft und Halt suchen. Ich kenne es, wenn man auf Wache steht, in die Sterne sieht und sich sagt: Der gleiche Stern scheint jetzt auch in die Kammer, wo meine Kinder im Bettchen liegen und das Jüngste bei der Mutti an der Brust ruht. Ja, ich weiß, welche Träume ihr dann habt, welche Hoffnungen und Befürchtungen euch das Herz schwer machen. Ich weiß es, weil es mir genauso ging, wenn ich an zu Hause dachte, und darum weiß ich auch, was ihr hören wollt, wenn ich heute zu euch spreche.
    Glaubt einem alten Frontschwein, wie ich es bin: Es dauert nicht mehr lange, und wir sind wieder bei Muttern. Es kann nicht mehr lange dauern, die Krisis ist vorüber. Wie die Welt des Kampfes müde wird, so wird Gott Mars selbst altersschwach und ruhebedürftig.
    Ich stehe jetzt hier vor dem Mikrofon und sehe im Geist euch, Soldaten – euch, Kameraden, an allen Fronten vor dem Radio. Dich, Kanonier Müller aus Bremen. Dich, Gefreiter Schmitz aus Köln. Dich, Feldwebel Schulze aus Dresden. Ihr möchtet an meiner Stelle sein – hier in Berlin, wo jetzt in den Laubengärten die ersten Bäume blühen, die ersten Gräser zart aus der Erde sprießen, wo an versteckten Wegen die Maiglöckchen duften und der Himmel immer noch so frühlingsblau ist, wie er es war, als ihr mit euren Bräuten und Frauen durch den Tiergarten oder den Grunewald gebummelt seid und an den kleinen Kiosken für zehn Pfennig ein paar saure Drops gekauft habt. O ja, ich kenne euch alle. Ich weiß, daß die Bauern unter euch jetzt an die Aussaat denken, daß die Besitzer von Badeanstalten daran denken, ihre Kabinen neu streichen zu lassen, und daß die Konditoren unter euch sich ausrechnen, daß ein heißer Sommer bestimmt eine gute Einnahme an Speiseeis bedeutet. – Nur ruhig Blut, Kameraden, es kommt alles wieder, und alle Schmerzen werden dann vergessen!«
    So sprach er noch mehrere Minuten weiter, und die Rundfunkleute nickten sich fast unmerklich zu, als wollten sie sagen: Toller Kerl das! Spielt mit den Gefühlen der Landser, als wollte er ihnen einen Heimaturlaub ersetzen.
    Der Höhepunkt des Wüllnerschen Zauberkunststücks kam, als er sagte:
    »Und jetzt wird euch eine andere Stimme aus

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