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Heimaturlaub

Heimaturlaub

Titel: Heimaturlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schüttelte den Kopf.
    »Eine Kugel wäre ebensosehr ein Schuldbekenntnis wie eine Flucht. Es gibt für den einzelnen keine Flucht aus solch einem Unrechtsstaat. Aber eines sage ich Ihnen, Dr. Elbers. Nero wurde gerichtet, die Medici versanken, Robespierre und Danton endeten auf dem Schafott, Napoleon starb in der Verbannung, Oliver Cromwell ging zugrunde durch das Beil … auch Adolf Hitler und seine Handlanger werden eines Tages für ihre Taten bezahlen müssen.«
    »Dann leben wir längst nicht mehr!«
    »Oder doch! Stürze sind schneller als Aufstiege.«
    »Wir reden wie die Anarchisten!«
    »Aber dieser Ton ist befreiend. Es gibt nur ein Vorwärts über Leichen, nicht mehr ein Rückwärts über Gehorchen und Ducken!«
    Wüllner sagte es hart und bewußt. Dr. Elbers empfand in diesem Augenblick eine eisige Scheu vor diesem Mann. Was würde sein, wenn Wüllner an der Spitze stände, dachte er – es gäbe keine Höhen und Tiefen, es würde alles eine Ebene sein – alles klar und durchsichtig wie Glas, kalt und doch wieder schillernd wie bemalte Gläser und Fenster in tausendfältiger Form.
    Heinz stand auf und zog seinen Uniformmantel wieder an. Während er das Koppel umschnallte mit der kleinen Pistole daran, sah er zu Elbers hinüber und hob drohend den Finger.
    »Also machen Sie mir keine Dummheiten, Elbers. Behalten Sie den Kopf hoch und lassen Sie sich nicht entmutigen. Erst soll man Ihnen beweisen … Das wird – wenn Sie vorsichtig waren – sehr schwer sein.«
    »Ich will sehen, wie ich aus dieser Affäre herauskomme, lieber Wüllner. Geht es nicht anders, so muß ich einen Ausweg suchen, der mich in das einzige Land bringt, das für mich am günstigsten ist, weil ich dort bekannt bin und Verwandte habe: nach Portugal!«
    »Und wie wollen Sie nach Lissabon?«
    »Mit dem Flugzeug!«
    »Woher bekommen Sie eine Maschine?«
    »Wir haben gleichgesinnte Freunde auch im Luftfahrtministerium. Es könnte klappen.«
    »Dann drücke ich Ihnen beide Daumen. Wie gesagt: Im Vierten Reich werde ich mich Ihnen wieder in Erinnerung bringen.«
    Wüllner drückte dem Ministerialrat die Hand, sah ihm noch einmal tief in die Augen und sagte leise, aber fest:
    »Elbers … nur Mut!«
    »Den habe ich! – Nun hauen Sie ab zum Funkhaus! Und dann zu Ihrer Hilde!«
    Damit schob er Wüllner aus der Tür und schloß sie hinter ihm mit einem lauten Ruck. Dann ging er in seinem Zimmer hin und her, setzte sich hinter den hohen Schreibtisch und zog die mittlere Lade auf. Aus ihr entnahm er einen kleinen Browning, nahm das Magazin heraus, zählte die acht Schüsse ab und legte die entladene Pistole spielerisch an seine Schläfe.
    »Ein wenig kalt, dieser Stahl«, meinte er leise.
    Er lud die Pistole wieder, schloß sie in den Schub und wanderte im Zimmer umher, von einer Wand zur anderen … hin und her wie eine Maschine. Es war ihm, als bringe ihn jeder Schritt dem Grabe näher.
    Im Berliner Funkhaus bekam Wüllner die Aufforderung, für die Abendsendung einen Bericht vorzubereiten. Außerdem erhielt er eine Einladung des Sendedirektors zu einem kleinen Bummel am Abend. Nun schlenderte er erst einmal durch die Straßen der Reichshauptstadt, die jetzt, da der Schnee geschmolzen war und der Frühling sich bemerkbar machte, alle Wunden zeigte, die der erbarmungsloseste Krieg aller Zeiten in ihren einst glänzenden Leib geschlagen hatte. Aus den Trümmerhaufen von Stein und Holz, von verbogenen Eisenträgern und zerstörten Möbeln glaubte er das Wimmern und Schreien der Frauen und Kinder zu hören, die hier verschüttet worden waren.
    So kam er auch über den nachmittäglich bewegten Kurfürstendamm, ging vorbei an Kranzler und Borchardt in jene Straße, wo Hilde ihre Atelierwohnung besaß.
    Jetzt konnte er der Sehnsucht nach Hilde nicht mehr länger widerstehen und fuhr mit der U-Bahn bis Dahlem. Als er in der alten Baumallee vor dem hohen Sandsteinhaus stand, in dem er wohnte, kam auf einmal ein Gegenstand von oben geflattert, legte sich naß auf seine Mütze, schlang sich um seine Ohren und ließ einen dünnen Strahl Wasser in seinen Kragen laufen.
    Wüllner griff nach oben, riß das merkwürdige Etwas herunter und sah, daß es ein Fensterleder war, das irgend jemandem aus der Hand gefallen sein mußte. Gerade wollte er den Lappen an den Zaun hängen, als eine helle, sehr vertraute Stimme ihn zurückhielt:
    »Entschuldigen Sie, es geschah bestimmt nicht mit Absicht. Sind Sie mir sehr böse? Ich komme mir das Leder sofort holen.«
    Dann

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