Heimaturlaub
der Heimat grüßen, ein junges, frisches Mädchen mit dem schönen Namen Hilde, ein deutsches Mädchen, blond, lustig und frei … die Heimat ist bei euch, Kameraden!«
Damit schob er die verdutzte Hilde vor das Mikrofon, schaltete schnell ab, sagte: »Jetzt zeige, was du kannst!« und schaltete wieder ein.
Hilde, die noch nie vor einem Ding gestanden hatte, das sich Mikrofon nannte und in das man nur hineinsprechen mußte, um von Millionen gehört zu werden, überwand mutig alle Scheu und sagte herzhaft:
»Liebe Soldaten! Ich stehe zum ersten Mal vor einem Mikrofon. Wenn ihr mich nicht richtig verstehen könnt, so verzeiht es mir. Aber da ich zu euch sprechen soll, muß ich euch sagen, daß wir Frauen und Mädchen euch beide Daumen drücken, daß wir hoffen: Dieser Krieg ist bald zu Ende, damit wir euch wieder in unsere Arme nehmen und euch alle Sorgen und Wunden, alle Leiden und Schmerzen vergessen lassen können. Ich grüße euch und reiche euch über Tausende von Kilometern die Hand und rufe euch zu: Wir Frauen sind stolz auf euch. Die Heimat schenkt euch alle Liebe!«
Hilde trat vom Mikrofon zurück und wurde vom Ansager abgelöst, der Wüllners Tonaufnahme, den mitgebrachten Kriegsbericht, ankündigte, der anschließend gesendet wurde.
Dr. Curtius, der Sendedirektor, und Sendeleiter Wilhelm drückten Hilde die Hand, und der Sendeleiter meinte:
»Das gibt einen Berg Briefe. Was denken Sie, Fräulein Brandes, was in den nächsten Tagen von allen Fronten Säcke voller Post einlaufen von Landsern, die sich erkundigen, wer Sie sind, wie Sie heißen, wohnen, wie alt Sie sind, was Ihre Lieblingsblumen sind, ob Sie gern Schokolade essen, Badeschwämme bevorzugen oder Waschlappen, was Sie für eine Haarfarbe besitzen, und ob Sie eine Vorliebe für wattierte Schultern haben! Die wahnsinnigsten Schreiben trudeln da ein … ich kenne das … habe das genug erlebt … auf alle müssen wir antworten … Himmelherrgott, gibt das eine Arbeit!«
Er eilte davon, um den Fortgang der Sendung zu überwachen, während Dr. Curtius Hilde und Wüllner in sein Privatbüro führte. Er bot ihnen Zigaretten an.
»Wirklich, Gnädigste, diese kleine Überrumpelung war ein voller Erfolg. Die Landser werden getobt haben. So etwas ist ein bunter Farbtupfer, ist ein Stück wirkliches Leben im Einerlei unserer Propaganda.«
Erstaunt fragte Wüllner:
»Was mißfällt Ihnen an unserer Propaganda?«
»Alles!«
Wüllner blickte mißtrauisch Dr. Curtius ins Gesicht, aber der Direktor ließ sich nicht ausforschen. Er zog bedächtig an seiner Zigarette und fuhr fort:
»Da kommen die Fritzen von den einzelnen Ämtern, halten Schlafreden über Probleme, die keinen interessieren, und posaunen den Äther voll mit Siegeszuversicht. Dabei kracht es an allen Ecken und der Holzwurm bohrt im Staatsgebäude.«
Wüllner richtete sich im Sitzen etwas auf und warf Hilde einen Blick zu, vorsichtig zu sein.
»Lieber Dr. Curtius«, sagte er mit unverkennbarer Ironie in der Stimme, »nehmen wir einmal an, ich sei ein Agent der Gestapo. Was würde dann mit Ihnen geschehen?«
»Ich käme ins Loch oder ins Konzentrationslager. Aber Sie sind kein Agent!«
»Wieso? Woher wollen Sie das so genau wissen?«
Der Direktor lachte. »Meinen Sie, ich hätte aus Ihren Worten nicht die versteckte Andeutung gehört, daß der Krieg am Ende sei und Deutschland ein Trümmerhaufen! Sie können mir nichts Schwarzes weiß machen, dazu bin ich ein zu alter Rundfunkhase! Außerdem kennen Sie Dr. Elbers … ein alter Freund und Kommilitone von mir. Ich glaube, das genügt!«
Wüllner staunte, wie weitverzweigt in verantwortungsvollen Posten die Untergrundbewegung im Reich war.
»Sie meinen also, ich gehöre auch dem Klub an?«
»Geistig bestimmt, wenn auch nicht aktiv – dazu sind Sie zu vorsichtig. Sie halten sich den Rücken frei …«
»Aber meine Braut könnte …«
»Wüllners Braut und Gestapo? Ein Witz für die Fliegenden Blätter!« wieherte Dr. Curtius und zerdrückte seinen Zigarettenstummel. »Fällt Ihnen nichts Originelleres ein?«
Wüllner sah sich diesen dicken Direktor der Reichsrundfunkgesellschaft etwas genauer an. Erst jetzt wurde ihm bewußt, daß in seinem Knopfloch das Parteiabzeichen fehlte, das sonst eine markante Zierde der oberen Herren war.
»Soll ich Ihnen ein Abzeichen leihen, Dr. Curtius? Sie scheinen das Ihre verloren zu haben!«
Curtius blickte Wüllner mit seinen Schweinsäuglein an.
»Verloren? Es liegt zu Hause neben den
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